Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
achtzehn sein, oder nicht?«
»Ich sagte doch, dass du schlau bist«, sagt Viktor. »Wir machen es so: Ich werde weder meinen Vater noch den Rat verraten, aber du darfst drei Fragen über mich stellen. Was du willst.«
Sie halten an einer roten Ampel. Minoo schaut ihn an.
»Wie kommst du darauf, dass ich mich für dich interessieren könnte?«, sagt sie.
»Hast du noch nie den Spruch
›Halte deine Freunde nah bei dir, aber deine Feinde noch näher‹
gehört?«
»Doch, natürlich.«
»Du scheinst davon überzeugt zu sein, dass ich dein Feind bin, und ich biete dir an, näher zu kommen«, sagt er und feixt.
Sie schaut weg. Eigentlich will sie sich nicht auf sein Spiel einlassen. Aber sie wissen so gut wie nichts über Viktor und Alexander. Genau wie Mona Mondlicht tauchen die beiden in keinem Verzeichnis auf. Was in einem wohlorganisierten Land wie Schweden eigentlich unmöglich sein müsste. Aber wer weiß, ob die Mitglieder des Rats außer ihren eigenen überhaupt noch andere Gesetze befolgen. Zu Nicolaus’ Zeit hatten die Ratsmitglieder offenbar hohe gesellschaftliche Positionen inne. Vielleicht ist das heute auch noch so.
Die Ampel wird grün und Viktor rast los.
»Komm schon«, sagt er. »Frag mich.«
Minoo denkt an die Märchen, in denen jemand drei Wünsche frei hat. Die Hauptpersonen scheinen immer um die falschen Dinge zu bitten.
Sie muss gut überlegen, was die richtigen Fragen sein könnten. Bald sind sie am Herrenhof, und sie hat das unbestimmte Gefühl, dass Viktors Angebot nicht ewig gilt.
»Wer bist du?«, fragt sie.
Viktor feixt wieder.
»Du fängst also mit einer der größten philosophischen Fragen an?«
»Du weißt, was ich meine«, sagt sie. »Basisfakten.«
»Viktor Ehrenskiöld, geborener Andersson«, sagt er und trommelt mit den Fingern aufs Lenkrad. »Ich vermute, Linnéa hat von meinem familiären Hintergrund erzählt.«
»Ja.«
»Aber sie denkt, dass ich gelogen habe, oder?«
Minoo würde gerne wissen, ob er das getan hat oder nicht, aber sie will keine Frage verschwenden.
»Ich bin in Stockholm geboren«, fährt er fort. »Ich bin neunzehn Jahre alt. Mit anderen Worten, ja, ich habe meinen Abschluss schon gemacht. Und ja, ich könnte mir reizvollere Beschäftigungen vorstellen, als wieder zur Schule zu gehen. Aber der Rat braucht mich, um euch im Auge zu behalten. Auf der anderen Seite habe ich nie ein gewöhnliches Gymnasium besucht, es ist also immerhin eine neue Erfahrung.«
»Wie meinst du das?«
»Womit wir bei Frage Nummer zwei wären«, sagt Viktor, und Minoo verflucht sich selbst dafür, denselben Fehler gemacht zu haben wie die Märchenfiguren.
»Der Rat hat besondere Schulen«, fährt er fort.
Natürlich. Was auch sonst?
Sie überqueren die Kanalbrücke und biegen in die Zufahrt zum Herrenhof ein.
»Noch eine Frage übrig«, sagt Viktor, als das Haus in Sichtweite kommt, und Minoo entscheidet sich.
»Was ist dein Element?«
Viktor parkt den Wagen und dreht sich zu ihr. Er greift nach dem Rucksack, der zwischen ihren Füßen auf dem Boden steht, und zieht die halb volle Wasserflasche heraus. Hält sie hoch. Es knackt, als das Wasser gefriert und sich innerhalb von Sekunden in einen Eisklotz verwandelt.
»Wasser«, sagt sie. »Dann warst du es also doch. Im Chemieunterricht. Du hast Wasser und Säure manipuliert, sie auf irgendeine Weise vertauscht.«
Viktors Blick wandert über ihr Gesicht, als hätte er nicht gehört, was sie gesagt hat, sondern als würde er stattdessen jede Pore, jeden Pickel, jedes abstehende Haar ihrer Augenbrauen studieren. Sie versucht, sich nicht anmerken zu lassen, dass es ihm gelingt, sie zu verunsichern.
»Kevin hätte sich ernsthaft verletzen und du hättest auffliegen können«, sagt sie. »Du hast gegen die Regeln des Rats verstoßen. Was meinst du, was er dazu sagen würde, wenn er es wüsste?«
Viktor lächelt.
»Gar nichts«, sagte er. »Weil ich es nicht war.«
Er steigt aus, und Minoo weiß, dass es sinnlos ist, ihm zu drohen. Sie hat keine Beweise und der Rat würde ihr niemals glauben.
35. Kapitel
V
on außen wirkt der Herrenhof noch genauso unbewohnt wie beim letzten Mal, als Minoo hier war. Die Fenster im Erdgeschoss sind nach wie vor mit Fensterläden verschlossen.
Viktor geht schnurstracks auf den Eingang zu. Er schließt auf und bittet sie mit einer übertrieben altmodischen Geste ins Haus.
Am anderen Ende der großen Eingangshalle steht eine lange Holztheke, die früher als Rezeption diente, und
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