Feuer fuer den Grossen Drachen
weiterkam.
Er stand auf und reichte dem AL die Hand. «Nichts für ungut, vielleicht sehen wir uns dann im nächsten Oktober aufm Flugplatz wieder…»
Der AL kapierte nicht. «Aufm Flugplatz, wieso?»
Q-Müller war schon an der Tür, Hanna im Schlepp. «Hat Ihnen meine Sekretärin noch keine Einladung zugeschickt…? Ich soll doch für den Justizausschuß die Informationsreise organisieren, Modellversuche in amerikanischen und japanischen Haftanstalten, wissen Sie nicht…»
Als sie wieder an der Pforte waren, wurde ihnen mitgeteilt, daß sie ihre Interviews bis auf weiteres durchführen könnten.
Q-Müller stöhnte. «Der Wissenschaft muß man eben Opfer bringen.»
Hanna wurde, nachdem sich ihr Auftraggeber fluchtartig schnell verabschiedet hatte (12 bis 14 Uhr Lehrveranstaltung an der FU: ‹Die Verrechtlichung sozialer Hilfen in den letzten hundert Jahren›), in einen Warteraum genötigt, dessen einziger Schmuck ein sogar schmiedeeisernes Gitter vor dem schmalen Fenster war, Kunst am Bau, senatsbezuschußt. Auf einem wackligen Bänklein sitzend, hatte sie Zeit genug, sich voll auf ihre Ängste zu konzentrieren. Als Kanakenbraut gar nicht mehr rausgelassen zu werden. Im Knastbordell, dessen Einrichtung Theo immer – halb ernsthaft, halb flachsend – gefordert hatte, Verwendung zu finden.
Sie litt schon unter Atemnot und Schweißausbrüchen, als endlich ein schneidiger Typ erschien: «Hock mein Name; ich soll Sie hier in Empfang nehmen. Kommen Sie!»
Er führte sie, im weiteren wortlos, in sein karg möbliertes Dienstzimmer und verschwand dann wieder.
Viel Aktenkram auf dem Schreibtisch. Obenauf lag der Entwurf einer Verfügung, mit der allen Gefangenen der Besitz von Radioapparaten untersagt werden sollte… da trotz des vorgeschriebenen Aushaus der UKW- und Mikrofonteile in Fachgeschäften außerhalb der Anstalt in letzter Zeit gehäuft funktechnische Manipulationen festgestellt worden sind. Gemäß § 104 Abs. f StVollzG wird daher verfügt, daß…
Hock brachte Ismail. «So, da haben wir Ihren Kandidaten, ‘ne halbe Stunde darf ich Sie jetzt allein lassen, da werden Sie’s ja beide schaffen. Und viel Spaß dabei.»
Gezielte Zweideutigkeit. Die Bemerkung ließ sie in ziemlicher Verwirrung zurück. Warum mußte dieser Ismail seinem Bruder auch so ähnlich sehen? Sie stotterte: «Schön, daß du endlich… Ich bin hier, weil IRMA… Ismail, ja, Tachchen. Setzen wir uns doch erst mal…»
Ismail war verwundert. «Tuğrul hat gesagt am Telefon, Hanna…?»
Sie strich sich die Haare aus der Stirn, gleichzeitig damit den Schweiß fortwischend. «Hanna Jendreyko, ja. Ich arbeite für IRMA – das ist das Institut für Randgruppen-, Minderheiten- und Ausländerforschung, und wir führen zur Zeit eine Untersuchung durch über Ausländer, die in Berlin inhaftiert sind, und ihre Beziehungen zu ihren Familien. Du – Sie sind dabei per Zufall ausgewählt worden, und ich komme insgesamt zehnmal her, alle zwei Monate einmal… Das nennt man Panel und…»
«Çok iji!» Ismail strahlte, und Ismail grinste, auch er, was anderes gab’s ja hier nicht, den Gedanken daran voll auskostend. «Sie sind ja feste Freundin von Tuğrul…» In seinem Gesicht spiegelte sich nur allzu deutlich, daß in diesen Sekunden ein ganzer Sex-Film vor ihm ablief, mit Hanna und Tuğrul als Akteure.
Hanna reagierte mit einer neuerlichen Hitzewelle. Das war alles so peinlich. Sie griff in die Gesäßtasche ihrer Jeans und gab Ismail den geheimen Brief seines Bruders, obwohl sie sich vorhin im Wagen, von Q-Müller über Tuğruls Nähe zur K-Y-Bewegung informiert, fest vorgenommen hatte, es sein zu lassen. Sie wußte nicht, was drin stand, sie konnte kein Türkisch, aber sie ahnte es: die Anweisungen der K-Y- Leute zum großen Aufstand im Tempelhofer Ausländerknast.
Es war eine Art Übersprunghandlung, wie die Psychologen das nannten; eine starke Erregung, deren ^Entladung aus bestimmten Gründen nicht erfolgen konnte, sprang über auf eine andere Aktivität. Sie tat etwas, das sie gar nicht hatte tun wollen, etwas Irrationales.
Nun gut, es war geschehen, und sie war nun so entspannt, daß sie mit ihrem Interview beginnen konnte: Insgesamt fünfundvierzig Fragen, teils offene, teils geschlossene.
Wie oft haben Sie in den letzten acht Wochen Besuch von Ihren Familienangehörigen bekommen? – Und wer war das, bitte? – Wie oft und mit wem haben Sie in den letzten acht Wochen telefoniert? – Wie oft und von wem haben Sie in den
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