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Feuer fuer den Grossen Drachen

Titel: Feuer fuer den Grossen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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die nächste Gittertür.
    Ihr war es recht. Sie hätte noch ganz andere Dinge hingenommen, nur um eine direkte Begegnung mit Kochale zu vermeiden.
    Zehn Minuten später hatte sie die Ausschleusungsprozedur hinter sich, alle Gegenstände wieder in ihrem Besitz und stand draußen auf der Straße. Vom Nordatlantik her war ein Tief herangezogen, es war kühl und regnerisch geworden. Erst jetzt wurde ihr klar, daß es idiotisch gewesen war, ihren Wagen vor dem IRMA-Büro stehenzulassen und bei Q-Müller mitzufahren. Der hatte sie hier sitzenlassen.
    Sie fühlte sich auf einmal unsagbar allein, hilflos, verloren. Bis hin zu ein wenig feuchten Augen. Ein schmerzhafter Anfall von Larmoyanz. Höhere Tochter aus Jever verlassen inmitten eines menschenleeren Industriegebietes…
    Schließlich bewegte sie sich in Richtung Hauptstraße, stand wartend an der Ecke. Aber sie hatte Angst, ein Taxi anzuhalten. Sie wollte nicht wie eine Nutte in den Wagen eines fremden Mannes steigen. Bis zur nächsten U-Bahnstation war es nicht sonderlich weit. Aber sie haßte diese Fahrten unter der Erde, wo keiner aus dem Fenster sehen kann und man von allen angestarrt wird. Tunnelphobie. Zu Fuß waren’s gut und gerne fünfzehn Kilometer. Wahnsinn.
    Dennoch lief sie durch den Regen. Durch Straßen, von deren Existenz sie vorher nie eine Ahnung gehabt hatte. Immer einigermaßen die Richtung Schlachtensee einhaltend. Als sie dann mit ihren Kräften am Ende war, stieg sie an der erstbesten Haltestelle in den erstbesten Bus und fuhr einfach los, fragte weder Fahrer noch andere Fahrgäste, sondern wartete darauf, wieder in Gegenden zu kommen, die sie kannte. Das geschah dann auch in der Rheinstraße. Blick auf den Steglitzer Kreisel. Umsteigen in den 48er, umsteigen in den 3er; eine ewige Schuckelei, dann war sie endlich zu Hause, nur noch von dem einen Wunsch getragen, sich eine tiefgefrorene Pizza aufzuwärmen und dann mit einer halben Flasche Rotwein für ein paar Stunden völlig wegzutauchen.
    Doch kaum war die Pizza im Ofen, da klingelte das Telefon. Herbert. Es mache zwar keinen großen Spaß mehr, aber er wolle nun doch bei IRMA weiterarbeiten – ob sie nicht mal in Ruhe mit Q-Müller…?
    «Okay.»
    Kaum hatte sie aufgelegt, kam der nächste Anruf. Q-Müller.
    «Wie war’s denn im Knast? Bist du mit Ismail gut zurechtgekommen? Wie? Entschuldige, ich bin im Augenblick ‘n bißchen durcheinander. Margit hat nur ‘n Zettel zu Hause hinterlassen und ist weg zu ihrer Freundin, wahrscheinlich für immer…» Mit Margit war er verheiratet.
    Hanna war erschrocken, erfreut, verwirrt, gab sich den Anschein, als hätte sie’s überhört, wollte und konnte nicht angemessen drauf reagieren. «Danke für den Anruf – ich bin gut zurückgekommen. Ich wollt dich auch gerade anrufen: Herbert hat mich gebeten, dich noch mal… Er hat zwar keinen großen Spaß mehr dran, sagt er, aber…»
    Q-Müller lachte. «Was hat Theo immer gesagt: Was, Spaß willste bei der Arbeit auch noch haben, wo du doch gerade dafür bezahlt wirst, auf jeden Spaß zu verzichten? – Meinetwegen kann er bleiben. Kommst du noch mal ins Büro heute?»
    Q-Müller auf der Balz, das hörte sie ganz deutlich heraus. Kochale, Jever/Wilhelmshaven, Tuğrul – und nun noch Q-Müller. Aufflackernde Euphorie. Und sofort Zweifel: Der hat doch nie Zeit für dich… Und dann Zweifel am Zweifel: Für dich schon, und beide zusammen, was könnten wir da nicht alles…
    Sie kam sich gemein und schäbig vor. Tuğrul brauchte sie, und Tuğrul war ein warmes Kuscheltier, Q-Müller eine kopflastige Keramikfigur.
    «Meine Pizza!» Mit einem gekonnten Hausfrauenaufschrei beendete sie das Gespräch.
    Die Pizza war noch eßbar.
    Flatternd stand sie dann vor dem Apothekenschränkchen, suchte nach ihrem Medikament. Beloc schirmt das Herz gegen übermäßige adrenerge Stimulation ab… Eine halbe Flasche Rotwein drauf. Sie konnte den elektrischen Wecker gerade noch auf 18 Uhr stellen, dann war sie weg.
    Lange bevor der Wecker fiepte, Vogelgezwitscher imitierend, tauchte sie wieder empor und geriet in jenen tranceartig-hypnotischen Zustand, der sonst nur durch längere Meditation oder autogenes Training zu erreichen ist. Immer neue Bildschleier wehten über sie hinweg, wohltuend weich. Ihr Körper, erst schmetterlingsleicht, löste sich allmählich auf, wurde zu einem Nichts, das Hanna hieß und glücklich war.
    Sie flog über glitzernde Schneeflächen, bläulich weiß im Mondenschein, den schwarzen Mauern

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