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Feuer fuer den Grossen Drachen

Titel: Feuer fuer den Grossen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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letzten acht Wochen Post und Pakete bekommen?
    «Post nur von Muhat, das is ‘n Cousin von mir…» Im Anschluß daran die Frage, ob Hanna den denn nicht schon zu Hause bei den Önals kennengelernt habe. «So ‘n Kleiner, den keiner so richtig für voll nimmt – außer mir.»
    «Muhat? Ja, natürlich… Äh, hat man Ihnen schon mal Urlaub oder Ausgang gewährt?»
    «Doch nicht als Ausländer!»
    «Tut mir leid, ich muß alles vorlesen, was hier auf meinem Fragebogen steht… Also, Frage 28: Würden Sie nach Ihrer Entlassung lieber in Deutschland bleiben – auch als Vorbestrafter – oder lieber in die Türkei zurückkehren?»
    Und so weiter und so weiter; das tägliche Brot des Sozialforschers. Dann die Fragen nach den Einstellungen und Gefühlen, nach den Ängsten und den Hoffnungen. Ebenso bemühter wie aussichtsloser Versuch, die Unendlichkeit einer menschlichen Existenz mit fünfundvierzig knappen Fragen und fünfundvierzig unsicheren Antworten zu erfassen. Aber, so Q-Müller, weniger ist viel mehr als nichts.
    Sie waren bis zur einunddreißigsten Frage vorgedrungen, als draußen auf dem Gang infernalischer Lärm losbrach: Schreie, schepperndes Blech auf den Steinquadern, Kommandostimmen. Hanna fuhr hoch, eilte zur Tür.
    Hock stürzte herein, stieß sie beiseite, sprang zum Telefon, wählte eine dreistellige Nummer, bekam keinen Anschluß. «Wieder so ‘n Kanake…! Pulsadern aufgeschnitten…» Er hastete hinaus.
    «Sie machen Selbstmordversuche, damit sie wieder nach Tegel oder in die Plötze zurückkommen, in deutschen Knast. Da sind alle Beamte geblieben, die noch ein Herz für uns haben…»
    Nach gut einer Stunde, immer wieder unterbrochen von Hocks Auftritten, waren sie am Ende. Tugruls Bruder… Statt in der Kreuzberger Wohnung hier im Knast. Und er blieb hier, für viele Monate noch, während sie dorthin eilte; jedenfalls, das hatte sie ihm gesagt, war sie am Abend mit Tuğrul verabredet.
    Ismail – vielleicht mal ihr Schwager…?
    Sie war froh, als Hock sie, auf Ismails Einschluß bestehend, zu gehen bat. Ihr Abschied von Ismail war kurz und förmlich, und als sie ihm die Hand geben wollte, da hatte Hock ihn schon in seine Zelle gestoßen («Immer der letzte hier!») und die Tür ins Schloß geworfen. «Jetzt muß ich Sie auch noch zur Pforte zurückbringen – immer neue Sonderaufgaben! Die Knackis, die kommen alle mal wieder raus hier, bloß wir, wir haben lebenslänglich!»
    Hanna, erstaunt darüber, daß Hock sich ihr so überraschend ‹öffnete›, wie es im modischen Psychologenslang der IRMA-Leute hieß, wußte nichts Gescheites zu erwidern; wortlos folgte sie ihm.
    Das alte Fabrikgebäude war noch längst nicht überall zum Gefängnis umgewandelt worden; auf verschiedenen Fluren beherrschten noch Bautrupps die Szene, ausnahmslos externe Kräfte, keine Knackis. Hock hatte offenbar den Weg zur Pforte abkürzen wollen, und so waren sie gezwungen, über Farbeimer, Bretter und aufgehäufte Ziegelsteine hinwegzusteigen. Plötzlich bläulichweiße Geisterbahnblitze, Sternenlicht, Wega oder Sirius – jemand hatte begonnen, Gitterstäbe zusammenzuschweißen.
    Hanna, für Sekunden geblendet, blieb stehen, schloß die Augen.
    Als sie sie öffnete, erkannte sie Kochale. Keine zwanzig Meter von ihr entfernt, auf den obersten Sprossen einer Malerleiter, mit einer überdimensionalen Fellrolle die Decke weißend.
    Wie vorhin schon in Q-Müllers Wagen verlor sie das Gefühl für Zeit und Ort, verwehte ihre Identität wie ein Rauchwölkchen. War das nicht bei ihr in Schlachtensee, wo er ihre neue Wohnung renovierte…? Sie kehrte zu sich zurück, als der TAL II sie ansprach.
    «Na, was Besonderes an Ismail entdeckt?»
    «Wieso?» Sie nutzte die Gelegenheit, einen Schritt zur Seite zu machen, so daß Kochale sie nicht mehr entdecken konnte… Maler, Anstreicher. Hat er also seinen Taxi-Job auch verloren.
    «Wieso?» Der TAL II, der sie für völlig inkompetent hielt, fühlte sich bestätigt. «Seit sein Freund Mehmet tot ist und sein anderer Freund Niyazi wieder hier ist, halten wir ihn für einen der gefährlichsten Burschen. Bambule –Explosionsgefahr. Wenn einer Amok läuft, dann der.»
    «Am besten gleich in den Bunker», meinte Hock.
    «Auf mich hat er einen ausgesprochen ruhigen Eindruck gemacht», sagte Hanna.
    «Auf Sie hätten auch der Baader und die Meinhof einen ausgesprochen ruhigen Eindruck gemacht», brummte der TAL II und ging weiter.
    «Beeilung, bitte!» Hock stieß sie geradezu durch

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