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Feuer fuer den Grossen Drachen

Titel: Feuer fuer den Grossen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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endloser Kiefernwälder entgegen. Wald und Heide, Sand und Lichtungen. «… der Kurierzuch nach Keenichsbarch!»
    Ein Gutshof, Herrenhaus und Stallungen; ein Park mit lindenbestandener Allee, Fischteiche, Pferdeschlitten auf der Fahrt zur Bahnstation. Sie im Herrenzimmer, das alles lenkend, Herrin dieses Mikrokosmos… Ihr Oikos-Traum. Familieneigene Fotoalben plus Jauche und Levkojen.
    Auch zwischen Jever und Leer gab’s so was.
    In Aurich is traurig, in Leer noch viel mehr.
    Sie erwachte endgültig, duschte, kalt natürlich, trank einen überstarken Kaffee und machte sich dann auf, Tuğrul zu treffen. Gegen ihren Willen eigentlich, ferngesteuert von Kräften, die sie nicht kannte und gegen die es kein Ankommen gab. Dunkelheit, nicht mehr analysierbar für sie, und darum schrecklich.
    Unterwegs mußte sie noch ihren Wagen abholen.
    Sie fand einen wild fluchenden Tuğrul vor dem Cafe, in dem sie verabredet waren, Nebenstraße Kudamm: Man hatte ihn nicht hineingelassen.
    «Wir wollen keine Dealer hier, und dauernd unsere Mädchen anquatschen lassen… Diese Schweine!» Womit er Geschäftsführer und Kellner meinte.
    Da werden sie wohl recht haben! Hanna hatte Mühe, in diesen Gedanken hinein ihrer Empörung Ausdruck zu geben: «Das wird ja immer schlimmer, Mensch! Tut mir leid für dich. Man sollte die alle…!»
    «Laß nur. Bald werden wir unsere eigenen Cafes hier haben, da brauchen wir bei euch nicht mehr zu betteln. Ihr habt eure Zukunft schon hinter euch, wir haben unsere noch vor uns!»
    Hanna erschrak. Seine Augen funkelten, Dschidda-Augen nannte sie das. Sicher, ihr seid ja Meister darin, euch in gemachte Nester zu setzen: Bei den Sarazenen, bei den Byzantinern, bei den Griechen – warum nicht auch bei den Deutschen… Aber während sie das dachte, sagte sie nur: «Es ist schon Scheiße, was sie hier mit euch machen. Je lauter sie nach Einhaltung der Menschenrechte rufen, desto mehr treten sie eure Rechte mit Füßen!»
    Tuğrul mußte noch nach Hause, seinem Vater eine beglaubigte Urkunde bringen; er stieg zu ihr ins Auto, noch immer so erregt, daß er ihr gestand, er mache jetzt bei den K-Y-Leuten mit.
    «So kann’s doch nicht weitergehen! Mehmet von einem Bullen ermordet, meine Eltern sollen aus der Wohnung raus – Abriß; dauernd die Überfälle durch den Ku-Klux-Klan – und eure Regierung duldet das! Jetzt sind wir mit unserer Geduld wirklich am Ende!»
    Wir mit unserer auch! wollte sie sagen. Was sie an diesem Abend nicht alles gewollt hatte! Zum Beispiel ihn, ihm zuliebe, auf türkisch zu begrüßen: I yi akşamlar! Buyurun oturun. Başka bir arzunuz var mı? Boş bir odanız var mı? Da hatte sie lange dran gelernt. Auch für den gemeinsamen Urlaub.
    Tuğrul und sie, das ging doch unmöglich zusammen. Mit solchen Widersprüchen war auf Dauer nicht zu leben; ihre Heuchelei machte alles kaputt. Die Natur verbietet so was: Malt man einem Huhn den Schnabel blau an, fällt der ganze andere Hühnerhof über dieses eine Tier her, hackte es halb tot. Mein Gott, wir sind doch aber Menschen, und Reflexion und Einsicht kann das alles aufheben… Flucht oder Tuğrul – das war es, genau auf den Punkt gebracht.
    Tuğrul fragte nach Ismail, und sie mußte ihm vom Knast erzählen. Je mehr sie sich dem Türkenviertel näherten, desto ruhiger wurde er. Doch je ruhiger er wurde, desto ängstlicher wurde sie. Tuğrul als K-Y-Führer: Planten sie etwa, sie als Geisel zu nehmen? Damit die Inhaftierung und Verurteilung Kunzes zu erzwingen? Oder die Freilassung der Türken im Tempelhofer Ausländerknast?
    Möglich war alles.
    Sie suchte nach Gründen, wieder umkehren zu können, fand aber keine. Wünschte sich Q-Müller und Kochale herbei, wünschte sich nach Jever zurück. Sie spürte das Schreckliche, das kommen mußte.
    Doch in der Adalbertstraße war alles ruhig; nichts passierte, als sie zu den Önals hinaufstiegen. Ein verregneter Sommerabend; die Stadt auch hier schläfrig und verdrossen.
    Bis sie in die Wohnung kamen. Önal Bey tobte, soweit verstand sie Tugruls Kommentare, weil er bei Ayşe Lippenstift und Wimperntusche in der Schultasche entdeckt hatte. Wie eine deutsche Nutte! Alles lag zertreten auf dem Fußboden. Sie heulte danach erst richtig los, als er ihr die Teilnahme an einer Klassenfahrt in den Frankenwald verbot.
    Er beruhigte sich erst wieder ein wenig, als Tuğrul ihm die Urkunde gab – die Bestätigung einer abgeschlossenen Fleischerlehre. Vielleicht bekam er damit eher einen

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