Feuer fuer den Grossen Drachen
Ku-Klux-Klan verlauten ließ, der Tod der 24 Türken im Tempelhofer Knast sei nicht, wie vom Justizsprecher bekanntgegeben, Folge einer bedauerlichen Lebensmittelvergiftung, sondern ein Anschlag des KKK mit dem Ziel der Reinigung Deutschlands? Mallwitz bestritt das zwar energisch («Ich hab da so meine Leute, die alles verhindern und die Fahndung ganz bewußt im Sand verlaufen lassen…»), aber war denn ernsthaft zu bezweifeln, daß die Staatsschutz- und Kriminalbeamten – er brauchte bloß an den cleveren Kelm zu denken – bald herausfanden, wie das alles gelaufen war?
Nein.
Dann war es also Mallwitz’ Plan, daß zumindest Hock und er einen Sensationsprozeß bekamen, ein wunderbares Forum, die Gedanken seines Ku-Klux-Klan of Germany unters Volk zu bringen. Kochale und Hock – zwei Propagandisten, zwei Märtyrer. Und saßen sie dann im Knast, waren sie permanente Initialzünder für neue Aktionen.
Kochale tagtäglich in den Schlagzeilen. Überall formierten sich Gruppen, die bereit waren, für seine Befreiung ihr Leben zu opfern.
Das war die Rolle, die er sich ersehnte.
Okay.
Aber vergiften? Hinterhältig. Meuchlings. Feige…
Es quälte ihn, es ließ ihn verrückt werden.
Es war zwei Uhr morgens, als er zu hoffen begann, es würde urplötzlich etwas eintreten, das seine Tat, so sehr er sie auch wollte, unmöglich machen mußte: seine überraschende Festnahme, eine Gallenkolik, ein schwerer Verkehrsunfall… Zu Mallwitz: Ich war wirklich wild entschlossen, aber da…
Doch vorerst passierte nichts, das ihn gehindert, ihn bewahrt hätte. Wie sollte es auch? So entschloß er sich, seine Leuchte einzuschalten und auf einen Fahrgast zu hoffen, der die große Wende brachte. Doch was war: ein Liebespaar, zwei besoffene Monteure aus Wanne-Eickel und ein dahindösender Oberkellner.
Fehlanzeige.
Aber schon allein das Fahren beruhigte ihn, die Bewegung, der Discowirbel der Ampeln, Lichter und Reklamefarben. Downtown mal Achterbahntempo, das war’s!
Als er dann einen Pfarrer nach Lankwitz fuhr, hatte er die Assoziation, die ihn weiterbringen sollte: Gottesurteil! Laß ihn entscheiden, laß ihn die Verantwortung tragen. Tu etwas, bei dem die Chancen fifty-fifty stehen. Wirst du schwer verletzt oder gehst du drauf dabei, ist die Sache klar: du kannst keinen Türken mehr vergiften. Überlebst du’s aber, führst du deinen Auftrag aus.
Klare Sache.
Die Frage war nur – wie. Viel Zeit blieb ihm nicht; die Sonne quälte sich schon den smoggrauen Horizont hinauf.
Die Avus hinunter, den Funkturm im Visier, volle Pulle, Lösungen suchen…
Von irgendeiner Brücke in die Tiefe springen? Quatsch; ein paar gebrochene Knochen waren ein Unentschieden, das er nicht brauchen konnte. Es mußte was sein, das mit Ja oder Nein ausging.
Sich vor einen der ersten U-Bahnzüge stürzen? Genauso blödsinnig. Zwei abgetrennte Beine vielleicht. Und überlebte er’s unverletzt, ließen sie ihn tagelang von einem Psychiater untersuchen.
In die Heerstraße abbiegen und mit Vollgas gegen eine Ampel rasen? Auch nicht. Wieder war die Zwischenlösung das Wahrscheinlichste, eine mehr oder minder schwere Verletzung.
Irgendwo einen Trommelrevolver kaufen und dann Russisches Roulette… Ah, ja! Das kam der Sache schon näher. Hatte aber den Haken, daß er um fünf Uhr morgens, so sehr er als Taxifahrer auch genügend ‹Adressen› kannte, kaum auf die Schnelle eine geeignete Waffe bekam. Um acht mußte er im Knast mit der Arbeit anfangen.
Und einfach nur würfeln? Nein, so faszinierend der Gedanke auch war – es ging nicht, weil das Ganze nur Wert hatte, wenn er auch sein Leben aufs Spiel setzte, wenn er den türkischen Knackis, die er vergiften sollte, noch eine faire Chance gab. Das war ja der entscheidende Punkt: Er konnte den Auftrag des Ku-Klux-Klan nur ausführen, wenn es ihm gelang, aus einem Meuchelmord einen fairen Kampf zu machen.
Und dann hatte er auf einmal die Lösung.
Er fuhr nach Friedenau und parkte die Taxe in der Wilhelm-Hauff-Straße, seiner Wohnung gegenüber. Ein paar Meter entfernt stand der weißgestrichene VW-Variant des Malermeisters Conradi, eines mit Mallwitz eng verbundenen Klan-Sympathisanten, dem ein Teil der Renovierungsarbeiten im Tempelhof er Ausländerknast übertragen worden war und der natürlich nicht lange gezögert hatte, Mallwitz’ Wunsch nachzukommen und Kochale auf seine Gehaltsliste zu setzen. Das Netz ist immer dichter, als du denkst. Das, so Kochales Lächeln, wäre Theos Kommentar
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