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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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ungeduldig bei diesen allzulangen Pausen. ... Zuweilen, wenn ich auf das Ende der großen Rede meines Mitspielers warten mußte, nahm ich die Stellung einer der mir am vertrautesten Statuen an und blieb regungslos in dieser Haltung, als wäre ich selbst aus Stein. Ich begann schon, mich zu meißeln ...«
    Sie lächelte. Die Grazie ihrer Schwermut trug über die Lieblichkeit des zu Ende gehenden Tages den Sieg davon.
    »Zärtlich liebte ich eine, der die Arme fehlten, mit denen sie einst einen Korb mit Früchten auf dem Kopf gehalten hatte. Aber die Hände waren an dem Korb geblieben, und ihr Anblick schmerzte mich. Sie erhob sich auf ihrem Postament inmitten eines Flachsfeldes, ganz dicht dabei war ein kleines stagnierendes Gewässer, in dem das Spiegelbild des Himmels eine Fortsetzung der blauen Blumen schien. Wenn ich die Augen schließe, so sehe ich wieder das steinerne Antlitz und die Sonne, die durch die Stengel des Flachses schimmert, als schiene sie durch ein grünes Glas. Immer seit jener Zeit steigen in den leidenschaftlichsten Momenten meiner Kunst auf der Bühne Visionen von Landschaften in meiner Erinnerung auf. Und ganz besonders, wenn es mir nur durch die Kraft des Schweigens gelingt, der mich anblickenden Menge einen tiefen Schauer mitzuteilen ...«
    Ihre Wangen hatten sich leicht gerötet. Und da die schrägen Sonnenstrahlen sie trafen und ihrem Zobelpelz und dem Kelchglase glitzernde Funken entlockten, schien von ihrer seelischen Erregung ein verklärendes Licht auszugehen.
    »Welch ein Frühling war das! Zum erstenmal in meinem umherziehenden Leben sah ich einen großen Strom. Auf einmal lag er vor mir, hoch angeschwollen dahineilend zwischen zwei wilden Ufern in einer Ebene, leuchtend fast wie ein Stoppelfeld, unter den wagrechten Strahlen der Sonne, die den Horizont streifte wie ein rotes Feuerrad. Damals empfand ich das Göttliche, das in dem großen Flusse liegt, der die Erde durchströmt. Es war die Etsch, die von Verona herunterkam, aus Julias Stadt ...«
    Eine zwiefache Unruhe barg sie in ihrem Innern, während sie das Elend und die Poesie ihrer Jugendzeit heraufbeschwor. Es war gleichsam eine Art innerer Zwang, dem sie folgte, als sie fortfuhr und dennoch wußte sie nicht, wie sie zu dieser Beichte gekommen war, während sie sich vorgenommen hatte, mit ihrem Freund von einer anderen, nicht vergangenen, sondern gegenwärtigen Jugend zu sprechen. Durch welche Liebestäuschung war sie von einer plötzlichen Anspannung ihres Willens, von dem festen Entschluß, der schmerzlichen Wahrheit die Stirn zu bieten, von der Zusammenraffung ihrer ganzen gebrochenen Energie, dazu gekommen, bei der Erinnerung an so entlegene Tage zu verweilen und mit dem Bild der eigenen Mädchenzeit das andere so ganz verschiedene zu bedecken?
    »Durch die Porta del Palio zogen wir an einem Maiabend in Verona ein. Die Angst erstickte mich. An meinem Herzen fühlte ich den Druck des Heftes, in das ich mit eigener Hand die Rolle der Julia geschrieben hatte. Und ich wiederholte innerlich die Worte des ersten Auftritts: ›Was ist? Wer ruft mich? Hier bin ich, gnäd'ge Mutter! Was beliebt?‹ Meine Einbildungskraft war durch ein seltsames Zusammentreffen in Verwirrung gebracht: ich vollendete an diesem Tag mein vierzehntes Jahr, Julias Alter! Das Geschwätz der Amme tönte mir in den Ohren, und allmählich verschmolz mein Schicksal mit dem der Veronesin. An jeder Straßenecke glaubte ich ein Trauergeleite mir entgegenkommen zu sehen, daß einer mit weißen Rosen bedeckten Bahre folgte. Als ich die Gräber der Scaliger, von dem schmiedeeisernen Gitter eingeschlossen, erblickte, schrie ich zu meiner Mutter: ›Hier ist Julias' Grab!‹ Und ich brach in einen Strom von Tränen aus und hatte ein verzweifeltes Verlangen, zu lieben und zu sterben. Ich sah zu früh, den ich zu spät erkannt!«
    Ihre Stimme drang, indem sie die unsterblichen Worte wiederholte, dem Geliebten wie eine herzzerreißende Melodie bis ins Innerste. Sie blieb kurze Zeit stehen und wiederholte:
    »Zu spät!«
    Es waren dies die grausamen Worte, die der Geliebte selbst ausgesprochen und die sie selbst wiederholt hatte, in dem nächtlichen Garten, wo die versteckten Blütensterne des Jasmin so starken Duft ausströmten, und auch die Früchte dufteten wie in den Gärten der Inseln; als beide dem wilden Verlangen nachzugeben im Begriffe standen. »Es ist zu spät, es ist zu spät!« Die nicht mehr junge Frau hier auf dem duftenden Grase verweilte jetzt vor dem

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