Feuer (German Edition)
Sternenkreis der Tiere hütete. »Dir, Perdita!« Aber die Frau lächelte einer entfernt sitzenden Gestalt zu; sie lächelte zuwinkend.
Und diesem Lächeln folgend, traf sein Blick die Unbekannte, die ihm plötzlich aus einem Schattenkreis entgegenleuchtete.
War nicht vielleicht sie das musikalische Geschöpf, dessen Name von dem Panzer des Schiffes zurückgeworfen worden war in dem schweigenden Schatten?
Fast schien sie ihm ein Gebilde seiner Phantasie, plötzlich erzeugt in dem Teil seiner Seele, wo die visionäre Empfindung, die ihn im Schatten des Panzerschiffes unerwartet überkommen hatte, gleichsam ein unbestimmter isolierter Punkt geblieben war.
Für einen Augenblick war sie schön, schön wie in ihm die noch nicht ausgedrückten Gedanken.
»Eine Stadt, der solche Schöpfer eine so machtvolle Seele schufen« – fuhr er fort, sich leichtbeschwingt von der Woge der Empfindungen emportragen lassend – »wird von der Mehrzahl heute nur als eine große tote Reliquienkammer betrachtet oder als eine Zuflucht des Friedens und Vergessens!
Wahrlich, ich kenne keinen andern Ort der Welt - Rom ausgenommen –, wo ein starker und ehrgeiziger Geist besser die Tatkraft seines Intellekts anregen und alles Drängen seines Wesens nach dem Höchsten betätigen könnte, als auf diesem regungslosen Wasser. Ich kenne keinen Sumpf, der imstande wäre, in den menschlichen Pulsen ein heftigeres Fieber zu erzeugen, als jenes, das uns zuweilen plötzlich im Schatten eines schweigsamen Kanales überfällt. Nicht, wer im reifen Korn tiefe Mittagsruhe unter der glühenden Hundstagsonne hält, fühlt ungestümer das Blut gegen die Schläfen pochen, als wir, deren Blicke zuweilen von dem andrängenden Blut verdunkelt wurden, wenn wir uns über das Wasser neigten, um allzu gespannt zu suchen, ob wir nicht durch Zufall auf dem Grunde irgendein altes Schwert oder ein altes Diadem entdeckten.
Dennoch, kommen sie nicht hierher wie zu einem Zufluchthafen, die gebrechlichen Seelen und die eine heimliche Wunde zu verbergen haben, und die einen entgültigen Verzicht leisten, und solche, die eine erschlaffende Liebe entnervte und die das Schweigen suchen, nur um darin unterzugehen? Vielleicht erscheint ihren trüben Augen Venedig wie eine barmherzige Stadt des Todes, umarmt von einem einschläfernden stagnierenden Wasser. In Wahrheit bedeutet ihre Gegenwart nicht mehr, als die vereinzelten Algen, die um die Treppen der Marmorpaläste fluten. Sie erhöhen den seltsam krankhaften Hauch, den sonderbar fiebrigen Geruch, auf dem so süß ist zuweilen nach einem arbeitsvollen Tag das Gefühl der eigenen Überfülle zu wiegen, das zuweilen der Sehnsucht gleicht.
Aber nicht immer erbarmt sich die Verwandlungsreiche des Wahnes derer, die zu ihr als Friedensvermittlerin stehen. Ich weiß von einem, der inmitten seiner Ruhe entsetzt zusammenzuckte, wie jener, der, bei der Geliebten ruhend, ihre weichen Finger auf seinen müden Lidern fühlend, plötzlich Schlangen in ihren Haaren zischen hörte – – –
Ach, wenn ich zu sagen vermöchte, welch wundergleiches Leben für mich unter ihren tausend grünen Gürteln und unter ihren unermeßlichen Schätzen zu pulsieren scheint! Alltäglich saugt sie unsere Seele auf: und bald gibt sie sie uns wieder, unversehrt und frisch und neu, fast möchte ich sagen, in ursprünglicher Neuheit, auf der die Spuren der Dinge morgen mit unaussprechlicher Klarheit eingegraben sein werden, und bald gibt sie sie uns wieder, unendlich verfeinert und gefräßig, wie Glut, die alles zerstört, was ihr nahe kommt, so daß wir zuweilen des Abends unter der Asche und den Schlacken irgendwelche ungewöhnliche Sublimierung auffinden. Sie überzeugt uns alltäglich von dem Vorgang der Entstehung unserer Art: ein ewiges Streben, über sich selbst hinauszugehen; sie zeigt uns die Möglichkeit eines Schmerzes, der sich verwandelt in anspornende, durchdringende Tatkraft; sie lehrt uns, daß der Genuß das sicherste uns von der Natur gebotene Mittel zur Erkenntnis ist und daß, wer mehr gelitten, weniger wissend ist, als wer mehr genossen.«
Ein Gemurmel des Widerspruchs wurde hier und dort beim Publikum laut, bei diesem Satz, der allzu gewagt schien; die Königin schüttelte leicht den Kopf zum Zeichen ihrer Mißbilligung; einige Damen bekundeten einander durch Blicke ein anmutiges Entsetzen. Dann wurde alles übertönt durch das jugendliche Beifallsrufen, das von allen Seiten mit brausendem Ungestüm dem dargebracht wurde, der mit
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