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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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Wollust; sondern er sah in ihr das bewundernswerte Werkzeug der neuen Kunst, die Verkünderin der großen Poesie, sie, die in ihrer wechselvollen Persönlichkeit das kommende Gedicht der Schönheit verkörpern, die den Völkern mit ihrer unvergeßlichen Stimme den Weckruf bringen sollte. Nicht des verheißenen Genusses halber, sondern wegen der Verheißung des Ruhmes verband er sich ihr jetzt. Und das Werk, das er in sich trug, formlos noch, erbebte noch einmal in zuckendem Leben.
    »Wer von meinen Hörern« – fuhr er fort – »wer von meinen Hörern sieht nicht eine Ähnlichkeit zwischen diesen drei Giorgioneschen Symbolen und den drei Generationen, die zu einer Zeit leben, die die Morgenröte des neuen Jahrhunderts verklärt? Venedig, die sieghafte Stadt, offenbart sich in ihren Augen wie in der Herrichtung eines überherrlichen Festgelages, bei dem der ganze in Jahrhunderten des Krieges und des Handels angesammelte Reichtum in unbeschränktem Maß vorgeführt werden soll. Welche reichere Quelle der Wollust könnte das Leben der unersättlichen Begierde öffnen? Es ist eine Stunde des Aufruhrs, fast schwindelnder Erregung, die ihrer Reichhaltigkeit willen einer Stunde heroischer Gewalt gleichkommt. Verführerische Stimmen und Lachen scheinen von den Hügeln von Asolo herüber zu tönen, wo herrlich und in Freuden die Tochter San Marcos regiert. Domina Aceli , die in einem Myrtenhain auf Cypern den Gürtel der Aphrodite auffand. Und hier der Jüngling mit den weißen Federn scheint sich dem Feste zu nahen wie ein Anführer, gefolgt von seiner zügellosen Schar, und all die heiße Brunst brennt hier in Gestalt der Fackeln, deren Flamme ohne Unterlaß ein Sturmwind schürt.
    So beginnt dieser göttliche Herbst der Kunst, dessen leuchtendem Glanz die Menschen sich immer mit innerer Erregung zuwenden werden, so lange in der menschlichen Seele die Sehnsucht wohnt, die engen Schranken des gemeinen Lebens zu durchbrechen, um ein intensiveres Leben zu leben oder eines edleren Todes zu sterben.
    Ich sehe Giorgione herausragen aus diesem Wunderlande, ohne jedoch, was sterblich an ihm ist, zu erkennen; ich suche ihn in dem Mysterium der glühenden Wolke, die ihn umfließt. Er scheint mehr ein Mythus denn ein Mensch zu sein. Kein Dichterschicksal auf Erden gleicht dem seinen. Man weiß nichts oder fast nichts von ihm; und es gibt Leute, die sogar seine Existenz ableugnen. Sein Name ist in keinem Buche eingetragen, und es gibt Leute, die ihm kein Werk mit Sicherheit zuschreiben. Und dennoch scheint die ganze venetianische Kunst sich an seiner Offenbarung in Begeisterung entflammt zu haben, der große Vecellio scheint ihm das Geheimnis zu verdanken, in die Adern seiner Geschöpfe leuchtendes Blut zu gießen. Wahrlich, Giorgione bedeutet für die Kunst das Epiphaniasfest des Feuers. Er verdient es, ein zweiter Prometheus, ›Feuerbringer‹, genannt zu werden.
    Wenn ich die Schnelligkeit erwäge, mit der die heilige Gabe von Künstler zu Künstler übergeht und von einer Farbenglut in die andere, so steigt unwillkürlich in meinem Geiste das Bild eines jener Fackelfeste auf, mit denen die Hellenen das Andenken des Titanensohnes des Japetos feiern wollten. Am Tage des Festes brach eine Schar junger athenischer Edelleute im schnellsten Laufe von Ceranikos nach Kolonos auf. Und der Anführer schwenkte eine Fackel, die man am Altar eines Sanktuariums entzündet hatte. Erloschen durch die ungestüme Bewegung des Laufes überreichte er sie dem Gefährten, der sie während des Laufes wieder entzündete; und dieser dem Dritten, und der Dritte dem Vierten, und so fort, immer im schnellen Lauf, bis der Letzte sie, noch rotglühend, am Altare des Titanen niederlegte. Dieses Bild hat für mich in seinem wilden Ungestüm etwas Bezeichnendes für das Fest der koloristischen venetianischen Meister. Ein jeder von ihnen, auch die minder ruhmreichen, hielt, und wenn nur für einen Augenblick, die heilige Gabe in Händen. Und mancher unter ihnen, wie der heilige Bonifazius, der verherrlicht zu werden verdient, scheint mit den unversehrbaren Händen die innere Blüte des Feuers gepflückt zu haben.«
    Und er pflückte mit seinen Händen die bildliche Blüte in der Luft, wie von der unsichtbaren Höhe der Woge, die die heiße Seele des Fabeltiers dem Dichter, von dem es jetzt besiegt war, entgegentrug. Und seine Augen schweiften hinüber zu dem Himmelsglobus; stumm wollte er diese feurige Gabe jener Frau darbringen, die dort unten den göttlichen

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