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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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aufgelösten Haaren getrocknet. »Dienen!« Zur Sünderin neigte sich der Reine, das milde Haupt mit dem reinen Elemente netzend. »Mein erstes Amt verricht' ich so: Die Taufe nimm und glaub' an den Erlöser!« Kundry senkte das Haupt tief Zur Erde, heftig weinend, erlöst vom Fluche. Und nun löste sich aus den letzten tiefen Harmonien des Rufes an den Erlöser mit übermenschlicher Süße die Melodie des Karfreitagszaubers, und schwoll an und breitete sich aus:
»Wie dünkt mich doch die Aue heut so schön! –
Wohl traf ich Wunderblumen an,
Die bis zum Haupte süchtig mich umrankten;
     
Doch sah ich nie so mild und zart
Die Halme, Blüten und Blumen ...«
     
    und berauscht betrachtet Parsifal Flur und Aue, lachend im Tau des Frühlingsmorgens.
    »Ach, wer könnte je diesen erhabenen Augenblick vergessen?« rief der Enthusiast, über dessen hageres Gesicht ein Strahl jener Wonne zu leuchten schien. »Wir alle waren, in dem tiefen Dunkel des Theaters, in eine vollkommene Unbeweglichkeit gebannt, wie eine einzige kompakte Masse. Es schien, als ob in allen Adern das Blut stockte, um zu lauschen. Die Musik stieg aus der geheimnisvollen Tiefe in eine Vorstellungswelt von Licht; die Töne wandelten sich in Frühlingssonnenstrahlen, sie erzeugten sich mit dem Jubel des Grashalmes, der die Erde spaltet, des Blumenkelches, der sich öffnet, des Zweiges, der Knospen ansetzt, des Insekts, dem Flügel wachsen. Und die ganze Unschuld der Dinge, die werden, nahm von uns Besitz; und die Seele lebte von neuem, ich weiß nicht, was für einen Traum der fernen Kindheit... Infantia , das Wort Vettor Carpaccios. Ach, Stelio, wie hast du es vorher verstanden, dieses Wort vor unserer Greisenhaftigkeit auszusprechen! Und wie hast du es verstanden, uns den Schmerz einzuflößen über den Verlust, und zugleich die Hoffnung, mit Hilfe der mit dem Leben unlöslich verbundenen Kunst das Verlorene zurückzugewinnen!«
    Stelio Effrena schwieg; er fühlte sich wie erdrückt von dem Gewicht des gigantischen Werkes jenes barbarischen Schöpfers, den Baldassare Stampas Enthusiasmus im Gegensatz zu der glühenden Gestalt des tragischen Dichters der Ariadne und des Orpheus heraufbeschworen hatte. Eine Art instinktiven Grolles, dumpfer Feindseligkeit, die mit dem Intellekt nichts zu tun hatte, regte sich in ihm gegen diesen zähen Germanen, dem es gelungen war, die Welt in Flammen zu setzen. Auch dieser hatte, um den Sieg über die Menschen und die Dinge davonzutragen, nichts anderes getan, als sein Bild zu verklären und seinen eignen Traum von herrschender Schönheit zu verherrlichen. Auch er war zur Menge gegangen als zur liebsten Beute. Auch er hatte sich in gewaltiger Selbstzucht geübt, immer wieder, ohne Unterlaß, über sich selbst hinauszugehen. Und jetzt hatte er auf dem bayrischen Hügel einen Tempel für seinen Gottesdienst.
    »Die Kunst allein kann die Menschen zur Einheit zurückführen« – sagte Daniele Glàuro. – »Ehren wir den erhabenen Meister, der auf ewig für diesen Glauben Zeugnis abgelegt hat! Sein Festspielhaus, obgleich nur aus Holz und Ziegeln, unvollkommen und eng, hat eine erhabene Bedeutung. Dort lebt das Kunstwerk nur als Religion, die unter einer lebendigen Form zu den Sinnen spricht. Das Drama wird Gottesdienst.«
    »Ehren wir Richard Wagner« – sagte Antimo della Bella. – »Aber, wenn anders diese Stunde als eine Verkündigung und als eine Verheißung denkwürdig bleiben soll, die wir von dem erwarten, der vorher der Menge das geheimnisvolle Schiff zeigte, so müssen wir als Schutzherrn wieder den heroischen Geist anrufen, der durch Donatella Arvales Stimme zu uns gesprochen hat. Als der Dichter des Siegfried den Grundstein zu seinem Festspielhaus legte, da weihte er es deutschen Hoffnungen und deutschen Siegen. Das Theater des Apoll, das sich schnell auf dem Janikulus erhebt, dort, von wo einstmals die Adler herniederflatterten, um Weissagungen zu künden, das sei die monumentale Offenbarung des Gedankens, dem unsere Rasse durch ihren Genius entgegengeführt wird. Wir wollen die nationalen Vorzüge kräftigen, durch die die Natur unsere Rasse ausgezeichnet hat.«
    Stelio Effrena schwieg, durchrüttelt von wirbelnden Gewalten, die mit einer Art blinder Wut in ihm arbeiteten, ähnlich jenen unterirdischen Kräften, die vulkanische Länder in die Höhe heben, sie spalten und umformen, neue Berge schaffen und neue Abgründe. Alle Elemente seines inneren Lebens, von diesem Sturme gepackt, schienen sich

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