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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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prunkvolle Decken gehüllt, mit Edelsteinen geschmückt, parfümiert wie ein Leichnam, der für den Scheiterhaufen hergerichtet ist. – Hatte vielleicht Venedig ihm, wie schon früher Albrecht Dürer, den Geschmack an der Wollust und am Prunk beigebracht? Im Schweigen der Kanäle hatte er gewißlich den glutheißesten Hauch seiner Musik vorüberfluten hören: die totbringende Leidenschaft von Tristan und Isolde.
    Jetzt pochte das große, kranke Herz hier; die gewaltig brausende Leidenschaft kam hier zur Ruhe. Der Patrizierpalast mit den Adlern, den edlen Rennern, den Weinkrügen und den Rosen war verschlossen und stumm wie ein vornehmes Grabgewölbe. Und über diesem Marmor entflammte sich der Himmel im Hauch der Morgenröte.
    »Erlösung dem Erlöser!« Und Stelio Effrena warf die Blumen vor das Portal.
    »Vorwärts! Weiter!«
    Durch diese plötzliche Ungeduld angefeuert, beugte sich der Gondoliere auf das Ruder. Das schlanke Schiff schoß wie ein Pfeil über das Wasser. Der ganze Kanal war von der Seite her lichtübergossen. Ein fahlrotes Segel glitt geräuschlos vorbei. Das Meer, die fröhlichen Fluten, das Gekreisch der Möwen, der Wind des offenen Wassers tauchten vor seinem Wunsche auf.
    »Rudre zu, Zorzi! Durch den Rio dell'Olio nach der Veneta Marina« – rief der junge Mann.
    Der Kanal erschien ihm zu eng für den Atem seiner Seele. Der Sieg war ihm fortan so notwendig wie der Atem. Aus dem nächtlichen Sinnentaumel erwacht, wollte er am hellen Lichte des Morgens, an dem herben Dufte des Meeres die Stärke seiner Natur prüfen. Er war nicht müde. Um seine Augen herum empfand er eine Frische, als ob er sie im Morgentau gebadet hätte. Er empfand kein Bedürfnis, sich auszuruhen, und das Wirtshausbett flößte ihm Schauder ein, wie ein niedriggemeines Lager. »Das Deck eines Schiffes, der Geruch von Teer und von Salz, das Schlagen eines roten Segels ...«

    »Rudre zu, Zorzi!«
    Die Kräfte des Gondoliere verdoppelten sich. Die Gabel kreischte von Zeit zu Zeit unter der Anstrengung. Der Fondaco dei Turchi flog vorbei, in seinem wundervollen vergilbten und verblaßten Elfenbeinton an das übriggebliebene Portal einer verfallenen Moschee erinnernd; der Palazzo Cornaro und der Palazzo Pesaro zogen vorüber, die beiden düsteren Kolosse, von der Zelt geschwärzt wie von dem Rauche einer Feuersbrunst; und die Ca'd'Oro, dies göttliche Spielzeug aus Stein und Luft; und endlich zeigte der Ponte di Rialto seine geräumige Wölbung; er wogte schon von volkstümlichem Leben, mit seinen vollgestopften Buden und seinem Geruch nach Gemüsen und Fischen einem riesengroßen Füllhorn gleichend, das über die Ufer hin seinen Überfluß an Land- und Seefrüchten ergießt, um damit die königliche Stadt zu speisen.
    »Ich habe Hunger, Zorzi, großen Hunger« – sagte Stelio lachend.
    »Gutes Zeichen, wenn solche Nacht hungrig macht; die Alten macht's schläfrig« – meinte Zorzi.
    »Lege an!«
    Er kaufte sich Trauben aus Vignole und Feigen aus Malamocco, auf einer Schüssel von Weinblättern zierlich hergerichtet.
    »Rudre weiter!«
    Die Gondel wendete unter dem Fondaco dei Tedeschi; durch enge und dunkle Kanäle glitt sie nach dem Rio di Palazzo. Die Glocken von San Giovanni Chrisostomo, von San Giovanni Elemosinario, von San Cassiano, von Santa Maria dei Miracoli, von Santa Maria Formosa, von San Lio klangen fröhlich in den Morgen hinein. Der Lärm des Marktes mit seinen Fisch-, Gemüse- und Weingerüchen verlor sich in den ehernen Grüßen. Zwischen den noch schlummernden Marmor- und Steinmauern, unter dem hellen Streifen des Himmels wurde der Wasserstreifen vor dem eisernen Bug immer leuchtender, als ob die Fahrt ihn entzünde. Und dieses Anwachsen des Glanzes erweckte in Stelio die Vorstellung einer flammenden Geschwindigkeit. Er mußte an den Stapellauf von Schiffen denken, die beim Hinuntergleiten ins Meer durch die Reibung Flammen erzeugen: das Wasser rundum raucht, das Volk jubelt Beifall und applaudiert ...
    Ein plötzlicher, instinktiver Gedanke lenkte ihn nach dem glorreichen Ort, an dem, wie ihm schien, die Spuren seiner lyrischen Begeisterung und der Widerhall des großen bacchantischen Chores noch haften mußten. »Es lebe der Starke ...!« Die Gondel streifte den machtvollen Seitenflügel des Dogenpalastes, der kompakt dalag wie eine einzige Masse, von Meiseln behauen, die ebenso geschickt waren, Melodien zu finden, wie die Plektren der Musiker. Er umfaßte das gewaltige Bauwerk mit seiner ganzen

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