Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele d'Annunzio
Vom Netzwerk:
Brot?«
    »Unser Brot ist noch ganz warm,« sagte ein Schiffer und hob dabei den schönen, runden und hellen Brotlaib in die Höhe; »es kommt grad' eben aus dem Ofen.«
    Der Hunger, zusammen mit dem guten Weizen, mußte ihm einen köstlichen Geschmack verleihen.
    »Ihr Diener, Herr! Und guten Wind!« rief der Ruderer und grüßte zum Abschied.
    »Frischauf!«
    Das lateinische Segel blähte sich purpurn, mit dem Löwen und dem Buch. Die Barke legte sich vor den Wind, den Bug San Servolo zuwendend. Das Ufer schien sich zu krümmen, wie um sie abzustoßen. Im Kielwasser mischten sich die Strömungen, die eine blaugrün, die andere rosenrot, einen opalschimmernden Strudel hervorbringend; dann wechselten sie schillernd in allen Farben, als ob das Fahrwasser ein flüssiger Regenbogen wäre.
    »Abfallen!«
    Das Fahrzeug drehte mit großer Gewalt. Ein Wunder vollzog sich. Die ersten Strahlen der Sonne glitten über das schlagende Segel, vergoldeten die Engel auf den Glockentürmen von San Marco und von San Giorgio Maggiore, entzündeten die Kugel der Fortuna und krönten die fünf Bischofsmützen der Basilika mit leuchtenden Blitzen. Die meerentstiegene Stadt war Königin auf dem Wasser mit all seinen gepeitschten Segeln.
    »Heil dem Wunder!« Ein Gefühl übermenschlicher Kraft und Freiheit schwellte das Herz des jungen Mannes, wie der Wind das für ihn wunderbar verklärte Segel schwellte. Er stand in der purpurnen Pracht des Segels wie in der Pracht seines eigenen Blutes. Ihm schien, als ob das ganze Mysterium dieser Schönheit die siegreiche Tat von ihm gebieterisch verlange. Er fühlte sich fähig sie zu vollbringen. »Mit Freude schaffen!«
    Und die Welt war sein eigen.
     

Das Reich des Schweigens
    »Vergänglichkeit!« Foscarina war in einem Saale der Akademie vor der Alten von Francesco Torbido stehen geblieben, vor jener verrunzelten, zahnlosen, welken, vergilbten Frau, die nicht mehr lachen und nicht mehr weinen kann, vor diesem Bilde menschlichen Verfalls, der schlimmer ist als Verwesung, vor dieser Art irdischer Parze, die anstatt der Spindel oder des Fadens oder der Schere zwischen ihren Fingern das Blatt hält, auf dem die grausame Mahnung geschrieben steht.
    »Vergänglichkeit!« – wiederholte sie draußen im Freien, das nachdenkliche Schweigen unterbrechend, währenddessen sie gefühlt hatte, wie ihr Herz schwerer wurde und auf den Grund sank, wie ein Stein in trübem Wasser. – »Kennen Sie das verschlossene Haus in der Calle Gámbara, Stelio?«
    »Nein. Welches?«
    »Das Haus der Gräfin Glanegg.«
    »Nein, das kenne ich nicht.«
    »Kennen Sie auch nicht die Geschichte der wunderschönen Österreicherin?«
    »Nein, Fosca. Erzählen Sie sie mir.«
    »Wollen wir bis zur Calle Gámbara gehen? Es sind nur ein paar Schritte.«
    »Gehen wir.«
    Sie gingen Seite an Seite nach dem verschlossenen Haus. Stelio hielt sich ein wenig zurück, um die Schauspielerin zu betrachten, wie sie in der unbewegten Luft vorwärts schritt. Mit seinem heißen Blicke umfing er ihre ganze Person. Die Linie der Schultern, die mit so vornehmer Anmut leicht abfielen, die biegsame und freie Taille über den kräftigen Hüften, die Knie, die sich zwischen den Falten des Rockes unbehindert bewegten, und dies bleiche, leidenschaftliche Gesicht, diesen durstigen und beredten Mund, diese Stirn, schön wie nur eine schöne Männerstirn, diese Augen, die sich in den Wimpern verlängerten, wie verschleiert von einer Träne, die unaufhörlich aufstieg und sich löste, ohne je herunterzufließen – das ganze leidenschaftliche Gesicht aus Licht und aus Schatten, aus Liebe und aus Schmerz, diese fiebernde Kraft, dieses zitternde Leben.
    »Ich liebe dich, ich liebe dich; du allein gefällst mir« - sagte er plötzlich leise zu ihr, dicht an ihrer Wange, sich im Gehen gleichsam an sie pressend, indem er seinen Arm unter den ihren schob, unfähig, es zu ertragen, daß sie von neuem von jenem Weh ergriffen würde, durch jene düstere Mahnung litte.
    Sie erbebte, blieb stehen und senkte die Augenlider, leichenblaß.
    »Süßer Freund!« – sagte sie mit so leiser Stimme, daß die zwei Worte nicht von ihren Lippen, sondern von dem Lächeln ihrer Seele gebildet zu sein schienen.
    Ihr ganzes Leid schien flüssig geworden zu sein, in eine einzige Woge von Zärtlichkeit gewandelt, die sich rückhaltslos über den Freund ergoß. Eine unendliche Dankbarkeit flößte ihr das brennende Bedürfnis ein, irgendein großes Opfer für ihn zu bringen.
    »Was

Weitere Kostenlose Bücher