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Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Titel: Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Calahan
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öffnete es.
    » Es ist Eine Zeit ohne Tod« , sagte sie. »Dir gefiel das Buch Alle Namen , daher dachten meine Mama und ich, dieses würde dir vielleicht auch gefallen.« Im College hatte ich Alle Namen von José Saramago gelesen und Hannahs Mutter manchen Abend davon erzählt. Jetzt jedoch blickte ich hilflos auf den Namen des Schriftstellers und sagte: »Habe ich nie gelesen.« Hannah nickte freundlich und wechselte das Thema.
    »Sie ist wirklich müde«, sagte meine Mutter entschuldigend. »Sie kann sich nur schwer konzentrieren.«
EEG-Videoaufzeichnung, 30. März 6.50 Uhr, 6 Minuten
    Die Aufzeichnung beginnt mit einem leeren Bett. Meine Mutter, in einem Max-Mara-Hosenanzug, den sie bei der Arbeit trägt, sitzt neben dem Bett, sie schaut nachdenklich aus dem Fenster. Am Bett stehen Blumen und es liegen Zeitschriften dort. Der Fernseher läuft, leise hört man die Sendung Alle lieben Raymond.
    Ich komme ins Blickfeld und krieche ins Bett. Ich habe keine Mütze auf, mein Haar liegt eng am Kopf und lässt einen Strang von Kabeln sehen, die wie eine Mähne meinen Rücken herunterhängen. Ich ziehe die Bettdecke bis zum Hals hoch. Meine Mutter massiert meinen Oberschenkel und packt mich in die Bettdecke. Ich schiebe die Bettdecke weg und stehe auf, wobei ich wiederholt die Kabel auf meinem Kopf berühre.
    Ende der Videoaufzeichnung

Kapitel 22
Ein wunderbares Durcheinander
    Z u Beginn der zweiten Woche traten neue, beunruhigende Symptome auf. Meine Mutter war am Vormittag gekommen und hatte festgestellt, dass sich meine undeutliche Sprechweise so sehr verschlechtert hatte, dass es klang, als sei meine Zunge um das Fünffache zu groß für meinen Mund. Dies erschreckte sie mehr als die Halluzinationen, die Paranoia und die Fluchtversuche: Es war eine messbare, ständige Veränderung, jedoch entschieden in die falsche Richtung. Meine Zunge verdrehte sich beim Sprechen, ich sabberte und wenn ich müde war, ließ ich meine Zunge seitlich aus dem Mund hängen wie ein überhitzter Hund; ich sprach in verworrenen Sätzen, ich hustete, wenn ich etwas trank, sodass ich aus einer Schnabeltasse trinken musste, die nur jeweils einen Teelöffel Flüssigkeit abgab, zudem hatte ich aufgehört, in vollständigen Sätzen zu sprechen, wechselte von unverständlichem Gefasel zu einzelnen Silben und gab manchmal lediglich ein Grunzen von mir. »Können Sie wiederholen, was ich sage?«, bat Frau Dr. Russo, die Neurologin. »Ca, ca, ca.«
    Die harten Klänge der Cs klangen aus meinem Mund jedoch so weich, dass der Konsonant unkenntlich war und eher wie »da, da, da« klang.
    »Würden Sie bitte Ihre Wangen so aufblasen?«, bat Frau Dr. Russo und blies in ihren geschlossenen Mund, sodass sich die Wangen aufblähten. Ich spitzte den Mund und ahmte die Ärztin nach, die Luft füllte meine Wangen jedoch nicht. Ich atmete lediglich aus.
    »Strecken Sie mir die Zunge einmal ganz heraus?«
    Meine Zunge streckte sich nur halb so weit wie normalerweise und zitterte dabei, als würde mich das sehr anstrengen.
    Später an diesem Tag bestätigte Herr Dr. Arslan Frau Dr. Russos neue Befunde und vermerkte meine schleppende Sprechweise in seinem Entwicklungsbericht. Ich vollführte zudem ständige Kaubewegungen, nicht unähnlich dem Lippenlecken in Summit in der Woche zuvor. Nun zog ich auch noch seltsame Grimassen. Meine Arme streckte ich steif nach vorne aus, als greife ich nach etwas, was nicht da war. Das Team vermutete, diese Verhaltensweisen in Kombination mit dem hohen Blutdruck und der beschleunigten Herzfrequenz würden auf ein Problem im Stammhirn oder im limbischen System hindeuten.
    Am oberen Ende des Rückenmarks, an der Unterseite des Gehirns, befindet sich das Stammhirn, einer der ältesten Teile des Gehirns, das dazu beiträgt, die grundlegenden, über Leben oder Tod entscheidenden Funktionen zu überwachen. Eine daumengroße Zellgruppe im Stammhirn, die sogenannte Medulla oblongata, kontrolliert Blutdruck, Herzfrequenz und Atmung. Ein hervortretender benachbarter Bereich, die sogenannte Brücke [Pons], spielt eine wichtige Rolle bei der Kontrolle des Gesichtsausdrucks, daher machte es Sinn anzunehmen, dass meine Symptome von einer Störung in diesem Bereich ausgelöst wurden.
    Dennoch ist eine Schuldzuweisung schwer. Viele andere Bereiche im Gehirn sind an diesen intrinsischen Funktionen ebenfalls beteiligt. Weitere mögliche Übeltäter sind der insuläre Kortex zwischen den Frontal- und Temporallappen, der ebenfalls an Emotionen und

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