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Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Titel: Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Calahan
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dem Erhalt des inneren Milieus beteiligt ist, oder auch Teile des limbischen Systems wie die Amygdala und der Gyrus cinguli, die sogenannte Gürtelwindung, die an der Atemkontrolle mitwirken.
    Um wieder auf die Analogie mit den Christbaumlichtern zurückzukommen: Selbst wenn nur einer dieser Bereiche »abschaltet«, können viele verschiedene Verbindungen dadurch beeinträchtigt werden. Häufig ist es schwierig, einen Bereich zu lokalisieren und einen kausalen Zusammenhang zu Grundfunktionen oder Verhaltensweisen herzustellen. Wie alles im Gehirn ist auch dies kompliziert. Oder, wie es der Autor William F. Allman in Menschliches Denken, künstliche Intelligenz. Von der Gehirnforschung zur nächsten Computer-Generation [Apprentices of Wonder: Inside the Neural Network Revolution] ausdrückt: »Das Gehirn ist ein monströses, wunderbares Durcheinander.«
    Dr. Siegel (Mamas geliebter »Bugsy«) kam mit Neuigkeiten, kurz nachdem Herr Dr. Arslan gegangen war. »Also, wir haben etwas gefunden«, sagte er mit schnellem Tempo.
    »Etwas?«, fragte meine Mutter.
    »Die Lumbalpunktion hat eine leicht erhöhte Anzahl an weißen Blutkörperchen ergeben. Das ist ein typisches Anzeichen dafür, dass irgendeine Infektion oder Entzündung vorhanden ist«, antwortete er. In etwa einem Mikroliter meiner Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit hatte man 20 weiße Blutkörperchen gefunden; im Liquor oder Nervenwasser eines Gesunden sollten dort nur null bis fünf sein. Für die Ärzte reichte dieser Wert aus, um erstaunt zu sein, jedoch gab es verschiedene Theorien darüber, warum der Wert so hoch sein könnte. Eine mögliche Erklärung war, dass er durch das Trauma der Lumbalpunktion selbst verursacht war. In jedem Fall war es ein Hinweis darauf, dass irgendetwas nicht stimmte.
    »Wir wissen noch nicht, was das bedeutet«, sagte Dr. Siegel. »Wir führen gerade einige Dutzend Tests durch und werden es herausfinden. Ich verspreche Ihnen, dass wir es herausfinden werden.«
    Meine Mutter lächelte das erste Mal seit Wochen wieder. Es war für sie eine merkwürdige Erleichterung, endlich die Bestätigung dafür zu haben, dass mit mir etwas Physisches nicht in Ordnung war und nicht etwas Psychisches. Verzweifelt wünschte sie sich etwas – irgendetwas, was sie vollständig erfassen konnte. Und auch wenn dieser Anhaltspunkt mit den weißen Blutkörperchen vage war, es war doch immerhin ein Anhaltspunkt. Sie ging nach Hause und verbrachte den Rest des Abends damit zu googeln, um nachzuforschen, was diese Neuigkeit bedeuten konnte. Die Möglichkeiten waren erschreckend: Meningitis, Tumor, Schlaganfall, multiple Sklerose. Schließlich unterbrach ein Anruf ihre Suche, in die sie ganz versunken gewesen war. Meine Stimme am anderen Ende klang wie von einem zurückgebliebenen Kind.
    »Ich habe in die Hose gemacht.«
    »Was ist passiert?«
    »Ich habe in die Hose gemacht. Sie brüllen herum.«
    »Wer brüllt dich an?« Sie konnte Stimmen im Hintergrund hören.
    »Schwestern. Ich habe in die Hose gemacht. Ich wollte das nicht.«
    »Susannah. Sie sind nicht böse auf dich. Das verspreche ich dir. Es ist ihr Job, es sauber zu machen. Sie wissen, dass du es nicht absichtlich gemacht hast.«
    »Sie brüllen mich an.«
    »Glaube mir, das ist keine große Sache. So etwas passiert. Sie sollten dich nicht anbrüllen. Es war ein Versehen.« Sie konnte nicht sagen, was daran stimmte und was meinem gemarterten Gehirn entsprungen war. Allen meinte, es sei wohl eher das Zweite; jedenfalls hörten sie nie wieder etwas von dem Zwischenfall.
    Da ich noch immer unter Wahnvorstellungen litt und mich für meinen Zustand zu schämen schien, hielten meine Eltern meinen Krankenhausaufenthalt vor fast jedem geheim, sogar vor meinem Bruder. Am Dienstag, den 31. März jedoch, als die erste Woche in die zweite überging, ließen meine Eltern den ersten Besuch zu mir, der nicht zur Familie gehörte: meine Freundin Katie. Katie und ich hatten uns im College kennengelernt und uns verband die gemeinsame Liebe für Loretta Lynn, Soul-Musik, Vintage-Klamotten und herbe St.-Louis-Cocktails. Katie war lebhaft, etwas albern und ein prima Kumpel. Nachdem sie nicht so recht wusste, was sie mir mitbringen sollte, kaufte sie eine Ratte als Plüschtier – typisch Katie: eine Ratte statt eines Teddys –, eine DVD mit Verbrecher- und Gefängnisvideos und einen französischen Film mit Untertiteln, da ihr nicht klar war, dass ich nicht mehr lesen konnte.
    Katie arbeitete inzwischen als Lehrerin in

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