Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns
Schwester kommt herein.
»Ich habe gepinkelt.«
Eine andere Schwester kommt dazu. Sie drehen mich auf die linke Seite, entfernen das Bettzeug, waschen mich mit warmen Tüchern und bespritzen mich mit etwas. Dann drehen Sie mich auf die rechte Seite und wiederholen den Vorgang. Es fühlt sich gut an. Aber ich kann mich nicht bewegen. Ich strenge mein Gehirn an, versuche, mit den Zehen zu wackeln. Ich drücke so fest, dass ich Kopfschmerzen bekomme. Meine Zehen bewegen sich nicht.
»Ich kann meine Beine nicht bewegen«, rufe ich.
Stunden nach der Operation, gegen 23 Uhr, informierte eine Schwester meinen Vater, der sich entschlossen hatte, auf Nachricht zu warten, während auf dringendes Anraten des Personals alle anderen nach Hause gegangen waren, dass ich vom Aufwachzimmer auf die Intensivstation verlegt worden war. Sie forderten ihn nicht auf, mich zu besuchen, aber er ging trotzdem, ohne Begleitung, auf die Intensivstation. Die Station umfasste eine Handvoll abgeteilter Nischen, in denen jeweils ein Patient lag. Überall waren Schwestern und Pfleger, aber niemand beachtete ihn. Er spähte in jede Nische, bis er mich entdeckt hatte.
Da lag ich, halb bei Bewusstsein, mit Kissen abgestützt, den Kopf wie eine kranke persische Prinzessin in weiße Gaze gewickelt. Ich hing an piependen Monitoren und Geräten und trug hautfarbene Kompressionsstrümpfe, die meinen Blutdruck normal halten sollten. Als er meinen Blick auffing, erkannte ich ihn sofort, was nicht selbstverständlich war. Wir umarmten uns.
»Das Schlimmste hast du hinter dir, Susannah.«
»Wo ist Mama?«, fragte ich.
»Sie besucht dich morgen«, sagte er. Er erzählte später, dass ich traurig gewesen war, dass meine Mutter nicht gekommen war, auch wenn es für sie die richtige Entscheidung gewesen war, in dieser Nacht nach Hause zu gehen. Dann: »Ich kann meine Beine nicht fühlen, Dad.« Es klang überzeugend.
»Bist du sicher, Susannah?«, fragte mein Papa und wurde bleich vor Schreck. Das war die ganze Zeit über die größte Sorge gewesen, dass sie etwas verpfuschen würden und ich einen bleibenden Schaden davontragen könnte.
»Ja. Ich kann sie nicht bewegen.«
Mein Vater rief sofort einen jungen Arzt herbei, der hereinkam, mich untersuchte und mich dann eilig zu einem Notfall-MRT fuhr. Mein Vater eilte schweigend neben meinem Bett her und hielt meine Hand, bis mich die MRT-Fachkraft rasch ins Zimmer schob und ihm sagte, er solle warten. In diesen 30 Minuten, würde er später seufzend sagen, alterte er um fünf Jahre. Schließlich jedoch kam der junge Arzt zu ihm und sagte, es sehe alles gut aus.
Mein Dad blieb bei mir, bis ich eingeschlafen war. Dann ging er nach Hause, schlüpfte in sein Bett, betete und fiel in einen unruhigen Schlummer.
7 Protagonist einer US-Arzt-Serie (Anm. d. Red.)
Kapitel 28
Schattenboxer
N ach der Operation wurde ich wieder in ein Zweibettzimmer in der Epilepsie-Station verlegt. Meine Zimmergenossin, eine Frau Anfang 30, litt unter Krampfanfällen, die während des Alkoholkonsums auftraten (solche Anfälle treten in der Regel bei Alkoholentzug auf, aber auch das Trinken kann manchmal Anfälle auslösen). Ständig bettelte sie das Personal an, ihr etwas Wein zu trinken zu geben, damit sie einen Anfall aufzeichnen könnten. Das Personal lehnte dies ab.
Die Ergebnisse der Hirnbiopsie bestätigten, was das Team erwartet hatte: Mein Gehirn war entzündet. Dr. Najjars Schnitte zeigten eine Vielzahl aggressiver Entzündungszellen meines Immunsystems, die Nervenzellen im Gehirn angriffen, ein Erkennungszeichen für eine Enzephalitis.
Vor noch nicht allzu langer Zeit glaubten die Neurologen noch, das Gehirn sei immunprivilegiert, das heißt dass es von den Lymphozyten des Immunsystems komplett abgegrenzt sei; heute verwenden die Ärzte den sorgfältig gewählten Begriff »immundifferent«. Die Blut-Hirn-Schranke ist eine dicke Patchworkdecke aus Gefäßen, die als Schranken dienen und die Passage von Substanzen wie Bakterien, chemischen Substanzen und Medikamenten vom Blut ins Gehirn kontrollieren. Forscher haben entdeckt, dass die Blut-Hirn-Schranke bestimmte B-Zellen und T-Zellen durchlässt, dieser Prozess wird als Diapedese bezeichnet und er dient dazu, regelmäßige »Check-ups« durchzuführen. Aber das hier war kein Routine-Check-up. Die Immunzellen, die durchgelassen worden waren und die den Körper eigentlich schützen sollten, befanden sich bei mir mitten in einem Angriff. Genau diesen Nachweis hatte Dr.
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