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Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns

Titel: Feuer im Kopf - meine Zeit des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Calahan
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Menge der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit jeder der vier Patientinnen auf jedes Muster. 24 Stunden später:

    Teilstück des Rattenhirns im Hippocampus, das auf die Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit einer Patientin mit Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis reagiert. Die Braunfärbung entspricht den Antikörpern der Patientin, die sich an die NMDA-Rezeptoren gebunden haben.
    Vier schöne Bilder, ähnlich einer Höhlenmalerei oder einem abstrakten Muschelschalenmuster, zeigten dem bloßen Auge die Antikörperbindung. »Es war ein Augenblick großer Erregung«, erinnerte sich Dr. Dalmau später. »Alles war negativ gewesen. Nun hatten wir das völlig positive Ergebnis, dass alle vier nicht nur an derselben Krankheit litten, sondern auch dieselben Antikörper hatten.«
    Er hatte veranschaulicht, dass das Reaktionsmuster im Hippocampus des Rattenhirns intensiver war, aber das war erst der Anfang. Es stellte sich nun eine weit schwierigere Frage: Auf welche Rezeptoren zielten diese Antikörper ab? Durch eine Kombination aus der Versuch-und-Irrtums-Methode und einigen fundierten Vermutungen darüber, welche Rezeptoren im Hippocampus am geläufigsten sind, bezeichneten Herr Dr. Dalmau und seine Kollegen schließlich das Ziel. Unter Verwendung einer Nierenzellprobe, die bei einem kommerziellen Labor gekauft worden war und keinerlei Rezeptoren auf der Oberfläche enthielt, einer Art »unbeschriebenem Blatt«, führte sein Labor DNA-Sequenzen ein, die die Zellen dahin dirigieren sollten, bestimmte Rezeptortypen zu entwickeln, sodass das Labor kontrollieren konnte, welche Rezeptoren für die Bindung zur Verfügung standen. Dalmau entschied, sie nur NMDA-Rezeptoren exprimieren zu lassen, nachdem er herausgefunden hatte, dass diese am wahrscheinlichsten in großer Menge im Hippocampus vorhanden waren. Tatsächlich banden sich die Antikörper der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit der vier Patientinnen an diese Zellen. Er hatte die Antwort, nach der er gesucht hatte: Die Schuldigen waren Antikörper, die es auf NMDA-Rezeptoren abgesehen hatten.

    Ein ähnliches Teilstück des Hippocampus einer Versuchsperson ohne NMDA-Rezeptor-Antikörper
    NMDA (N-Methyl-D-Aspartat)-Rezeptoren sind lebenswichtig für das Lernen, das Gedächtnis und das Verhalten und sie sind das Hauptprodukt der menschlichen Gehirnchemie. Wenn diese Rezeptoren nicht korrekt funktionieren, versagen Geist und Körper. NMDA-Rezeptoren sind überall im Gehirn vorhanden, die Mehrheit konzentriert sich jedoch auf die Neuronen im Hippocampus, dem primären Lern- und Gedächtniszentrum des Gehirns, und die in den Frontallappen, dem Sitz höherer Funktionen und der Persönlichkeit. Diese Rezeptoren erhalten ihre Befehle von chemischen Substanzen, die als Neurotransmitter bezeichnet werden. Alle Neurotransmitter übertragen nur eine von zwei Botschaften: Sie können eine Zelle entweder »erregen« und damit ermuntern, einen elektrischen Impuls abzugeben, oder »hemmen«, sodass diese keinen Impuls aussendet. Diese einfache Zwiesprache zwischen Neuronen ist die Wurzel von allem, was wir tun, vom Nippen an einem Glas Wein bis zum Schreiben einer Zeitungsschlagzeile.
    Bei diesen unglücklichen Patientinnen mit Dr. Dalmau‘s Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis waren die Antikörper, die normalerweise eine Streitkraft für das Gute im Körper sind, verräterische, unerwünschte Gäste im Gehirn geworden. Diese nach Rezeptoren suchenden Antikörper drückten der Oberfläche eines Neurons ihren tödlichen Kuss auf, behinderten die Rezeptoren dieses Neurons und nahmen ihm die Fähigkeit, diese wichtigen chemischen Signale zu senden und zu empfangen. Auch wenn die Forscher noch weit davon entfernt sind, umfassend zu verstehen, wie NMDA-Rezeptoren (und ihre entsprechenden Neuronen) das Verhalten beeinflussen und beeinträchtigen, ist doch zumindest klar, dass die Folgen ihrer Beeinträchtigung verheerend oder sogar tödlich sein können.
    Einige Experimente haben immerhin Hinweise auf ihre Bedeutung ergeben. Wenn die Zahl der NMDA-Rezeptoren um sagen wir 40 Prozent zurückgeht, kann der Mensch psychotisch werden; wenn sie um 70 Prozent zurückgeht, tritt eine Katatonie [eine bestimmte Form der Schizophrenie mit psychomotorischen Symptomen wie Krampfzuständen und Wahnideen] auf. Bei »Knock-out-Mäusen« ohne jeglichen NMDA-Rezeptor sind sogar die einfachsten Lebensfunktionen nicht mehr möglich: Die meisten sterben innerhalb von zehn Stunden nach der Geburt durch Atemversagen. Mäuse mit einer

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