Feuer in eisblauen Augen
sich Annie als ihre Mutter. Sie hätte sich keine unpassendere Person dafür aussuchen können. Annie war ja nicht einmal in der Lage, sich für zwei Wochen zu binden. Wie konnte sie da jemals eine Mutter sein?
Oder eine Frau?
Seine Frau? Der Gedanke erregte und beflügelte ihn. Wie schön wäre es, Annie für immer um sich zu haben und sich an ihren witzigen Einfällen zu erfreuen. Er gestand sich jetzt auch ein, dass er Annie anfangs viel zu negativ beurteilt hatte. Immerhin hatte es sich herausgestellt, dass sie Emily eine sehr verlässliche Freundin geworden war.
Okay, sie hatte mal vergessen ihn anzurufen, und wenn sie es getan hatte, dann meistens viel zu spät. Aber er hatte instinktiv gewusst, dass Annie alles tun würde, um seine Nichte zu beschützen. Und sie hatte dem Kind etwas gegeben, was es schon lange vermisst hatte: Sie hatte Freude in Emilys Leben gebracht.
Annie hatte auch Freude in sein Leben gebracht. Dabei dachte er nicht nur an den überwältigenden Sex mit ihr. Sondern die ganz alltägliche Freude, am Leben zu sein. Sie hatte so erheiternde Einfälle, dass er sich immer wieder fragte, was sie als Nächstes tun oder sagen würde. Ihre Ideen waren manchmal ungewöhnlich, aber nie unfreundlich oder gemein. Mark schaute wieder auf Emilys Brief in seiner Hand.
Emily hatte einen Traum geträumt. Spontan beschloss Mark, alles zu versuchen, um diesen Traum wahr werden zu lassen. Außerdem konnte er sich Schlimmeres vorstellen, als Annie zu heiraten. Annie wollte ihm zwar weismachen, dass die letzte Nacht ihr kaum etwas bedeutet hatte, aber er glaubte ihr das nicht, denn er hatte die Wahrheit in ihren Augen gelesen, und ihr Körper hatte ihm auch verraten, was sie empfand. Er bedeutete ihr etwas, und Emily war ihr auch wichtig. Die Frage blieb offen, wie viel sie beide Annie bedeuteten. Aber das würde er noch herausfinden.
Mark stand auf, den Brief hielt er noch in der Hand.
Er fand Annie im Wohnzimmer, sie legte Handtücher zusammen. Sie hatte eine Tasse mit dampfendem Kaffee neben sich stehen und die Stöpsel ihres Walkmans in den Ohren. Ab und zu sagte sie einen Satz in einer ganz ungewöhnlichen Sprache, wahrscheinlich lernte sie Basissätze auf Japanisch.
Mark blieb in der Tür stehen und sah ihr zu. Sie lauschte aufmerksam, um dann einen kurzen Satz nachzusprechen, lauschte erneut und sprach wieder nach. Mark versuchte zu raten, worum es gerade ging. Als sie einige Wörter sagte und dann ‘Annie’, wusste er, dass sie sich vorstellte. Auf leisen Sohlen schlich er hinter sie, nahm ihr die Stöpsel aus den Ohren und flüsterte ihr ins Ohr: “Mein Name ist Mark.” Erschrocken fuhr sie zusammen, drehte sich um und sah ihn mit ihren großen Augen an. Dann erschauerte sie.
Das verriet Mark genug. Mehr wollte er gar nicht wissen. Allein dieser kurze Satz, den er ihr ins Ohr geflüstert hatte, löste bei ihr so eine heftige Reaktion aus. Er knabberte zärtlich an ihrem Ohrläppchen und machte ein paar Vorschläge, die nichts mit Sushi in Tokio zu tun hatte, sondern mehr damit, was er mit einer gewissen ‘süßen kleinen Geisha’ vorhatte.
“Ich habe fast nichts verstanden, ich glaube aber, dass ich das Wort Bett gehört habe.”
Mark lächelte verschmitzt. “Ich habe großen Hunger”, fuhr er fort.
Annie sah auf. “Aber das heißt nicht, dass du mich zum Dinner einladen willst?”
“Doch”, sagte er schnell. Und erst jetzt wurde ihm bewusst, wie ungeschickt er sich bisher verhalten hatte. Was bin ich doch für ein Idiot gewesen, dachte er. Ich habe Annie nicht einmal ausgeführt. Stattdessen überfalle ich sie mit dem Vorschlag, für zwei Wochen mit mir Ferien zu machen. Die einfachsten Regeln des Anstands habe ich vernachlässigt. Kein Wunder, dass Annie vor ihm flüchtete. Er hatte ihr keine Gelegenheit gegeben, sich langsam auf seinen Vorschlag einzustellen.
Vielleicht aber war es noch nicht zu spät, und er konnte seine Fehler wiedergutmachen. “Ja, ich lade dich zum Dinner ein und anschließend in einen schönen Film.”
“Das hört sich ja ganz nach einem Date an.” Grübelnd sah Annie ihn an. “Warum?”
Das wusste er selbst nicht, denn er hatte sie schneller eingeladen, als er geplant hatte. Aber er musste ihr eine plausible Antwort geben. “Ich möchte gern noch etwas Zeit mit dir verbringen.”
Annie begann wieder Handtücher zu falten, irgendwie hatte sie jetzt Schwierigkeiten damit. “Wir essen doch jeden Abend zusammen”, warf sie mit leiser Stimme
Weitere Kostenlose Bücher