Feuer: Roman (German Edition)
aufmerksam, aber ohne die geringste Spur von Angst musterte. Er musste wissen, dass Will nicht schießen würde. Sie kannten sich lange genug.
»Hör mit dem Quatsch auf«, sagte Georg. »Leg die Waffe weg, und wir reden über alles.«
»Ich denke nicht daran.« Will schwenkte den Revolver für die Dauer eines Herzschlags in Georgs Richtung und zielte dann hastig wieder auf Slavko, als er aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrzunehmen glaubte. Ihm war klar, dass er die beiden nicht lange in Schach halten konnte. »Geh von der Tür weg«, sagte er. »Ich will dir nichts tun. Ich will hier nur raus, sonst nichts.«
Tief in seinem Innern war er felsenfest davon überzeugt, dass Georg sich nicht von der Stelle rühren würde; schon weil er nicht auf ihn, sondern unverwandt weiter auf den Mazedonier zielte. Dann aber hob Georg langsam die Arme und brachte beide Hände in Schulterhöhe. Er lächelte scheinbar unerschütterlich weiter, aber sein Grinsen wirkte jetzt ein bisschen gequält, und darunter glaubte Will nicht nur eine Spur von Nervosität, sondern ganz eindeutig Angst zu sehen. Er sah auch, dass Georg einen raschen Blick mit Slavko tauschte, aber er konnte nicht sagen, ob es ein geheimes Zeichen war, sich auf ihn zu stürzen, oder ein Wink, besser zu tun, was Will verlangte.
»Was glaubst du, wie weit du kommst?«, wollte Georg wissen.
Will wedelte ungeduldig mit der Pistole und entfernte sich rückwärts von Slavko, versuchte dabei aber zugleich, Georg aus den Augenwinkeln zu beobachten. Die Stimme war wieder da, und diesmal schrie sie ihm zu, dass er dabei war, sich sein eigenes Grab zu schaufeln, und dass er nur noch eine einzige, winzige Chance hatte, diese Situation zu überleben, wenn er nämlich sofort die Waffe weglegte und sich ergab. Georg konnte ihm gar nichts tun. Schließlich brauchte er ihn. Vielleicht würde Slavko ihm ein oder zwei Schläge verpassen, aber das würde er überleben – es wäre nicht das erste Mal. Georg konnte es nicht riskieren, ihm wirklich etwas anzutun. Nicht, wenn er glaubte, dass er ihn zu dem Mädchen führen konnte. Aber diesmal hörte er nicht auf die Stimme. Er hatte in seinem Leben viel zu oft auf sie gehört.
Langsam, die Waffe immer noch mit beiden Händen haltend und auf Slavko gerichtet und schlimmer humpelnd als je zuvor in seinem Leben, bewegte sich Will um den Schreibtisch herum und schlug einen großen Bogen, um in Georgs Rücken zu gelangen.
Georg wollte sich herumdrehen, aber Will machte eine drohende Bewegung mit der Waffe, und er hielt mit einem Schulterzucken und einem verächtlichen Schürzen der Lippen inne. »Und jetzt?«, fragte er.
Statt zu antworten, trat Will mit einem raschen Schritt vollends hinter ihn und stieß ihm den Pistolenlauf zwischen die Schulterblätter. Georg ächzte; ob vor Wut oder vor Schmerz – er hatte ziemlich hart zugestoßen –, konnte er nicht sagen, aber die Liste der Dinge, die Slavko ihm zweifellos antun würde, wurde ein gutes Stück länger.
»Du bist wahnsinnig geworden«, sagte Georg. »Ich nehme einfach zu deinen Gunsten an, dass das alles zu viel für dich war.«
»Nimm an, was du willst, aber wir gehen jetzt hier raus«, sagte Will grob. Er widerstand der Versuchung, seinen Worten mit einem weiteren Stoß in Georgs Rücken Nachdruck zu verleihen, sondern schob ihn nur mit sanfter Gewalt ein kleines Stück in Richtung Tür. »Mach auf! Und sag Slavko, dass er hier bleiben soll.«
Georg warf dem Mazedonier einen raschen Blick zu. »Du hast ihn gehört.«
Slavko nahm langsam die Arme herunter, wobei er seine Hände ganz bewusst so hielt, dass Will sie sehen konnte, und nickte nur. Natürlich würde er nichts dergleichen tun, sondern aus seiner Erstarrung erwachen und im Gegenteil wieder höchst lebendig werden, sobald Georg und Will hier heraus waren, aber das spielte jetzt keine Rolle. Obwohl seine Hände nicht mehr so heftig zitterten wie am Anfang und er sogar wieder halbwegs klar denken konnte, war Will noch immer überzeugt davon, dass er im Grunde keine Chance hatte, hier herauszukommen. Er hatte das nicht gewollt. Die Situation war einfach eskaliert, und das Schlimmste daran war – es war ganz eindeutig seine eigene Schuld. Nicht die Georgs, nicht die der Blonden, nicht einmal die der Stimme in seinem Kopf. Georg streckte die Hand nach der Tür aus, aber Will hielt ihn mit einer hastigen Bewegung zurück.
»Nimm die Arme herunter«, sagte er. »Und keine Tricks. Ich weiß, dass du draußen
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