Feuer: Roman (German Edition)
sich und gab Georg die Brieftasche mit seinen Kreditkarten und Papieren zurück. »Schreib es auf die Rechnung.«
»Worauf du dich verlassen kannst«, grollte Georg. Er betrachtete düster den Lauf des Revolvers, der noch immer auf seinen Magen gerichtet war, und Will konnte regelrecht sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Er nahm Georgs Warnung ernster, als dieser vielleicht glaubte. Sein Hinweis, den Bogen nicht zu überspannen, war nur zu berechtigt. Trotzdem fuhr er nach einer Sekunde fort: »Und jetzt dein Handy.«
Georg schob trotzig das Kinn vor. »Sonst noch was? Willst du vielleicht noch meine Uhr? Oder meine Schuhe?«
»Das mit den Schuhen ist gar keine schlechte Idee«, sagte Will. »Aber das Handy reicht mir erst einmal. Du bekommst es wieder. Und keine Angst – ich führe keine Ferngespräche.«
Georg starrte ihn mit unverhohlener Mordlust in den Augen an, knallte das Handy auf das Armaturenbrett und öffnete die Tür. »Sonst noch was?«
»Tritt einfach ein paar Schritte zurück«, sagte Will, während er bereits auf den frei gewordenen Fahrersitz hinüberrutschte.
»Wenn der Wagen auch nur eine Schramme abbekommt, bist du tot«, sagte Georg.
»Keine Angst, ich kann damit umgehen«, erwiderte Will. Er grinste. »Schließlich habe ich ihn selbst für dich geklaut, oder?« Er legte umständlich mit der linken Hand den Gang ein, um mit der Waffe in der anderen Hand weiter auf Georg zielen zu können, und fuhr los.
Nach zwanzig Metern hielt er wieder an, legte den Revolver auf den Beifahrersitz und ergriff das Lenkrad mit beiden Händen. Im Rückspiegel sah er, dass Georg einfach nur dastand und ihm nachstarrte. Aber Wills Lächeln war längst erloschen, und plötzlich zitterten seine Hände so stark, dass er alle Mühe hatte, das Lenkrad festzuhalten, als er wieder losfuhr.
Kapitel 15
Er fuhr tatsächlich weiter zum Flughafen, allerdings nicht, um eine Reise zu buchen, sondern um sich andere Nummernschilder zu beschaffen. Der Trick war so alt wie simpel: Er fuhr in das Langzeit-Parkhaus, in dem Urlauber ihre Fahrzeuge meist für mehrere Wochen abstellten, und suchte sich einen Wagen, dessen Scheiben noch nass vom Regen des vergangenen Abends waren. Binnen weniger Minuten hatte er die Nummernschilder gegen die von Georgs Jaguar ausgetauscht. Dann bezahlte er brav sein Ticket am Kassenautomaten und fuhr wieder in Richtung Stadt. Der Besitzer würde die Manipulation frühestens nach seiner Rückkehr in einer, zwei oder sogar erst nach drei Wochen bemerken, und vielleicht nicht einmal dann sofort. Das bedeutete, dass er mindestens eine Woche Zeit hatte, bis die Kennzeichen auf der Fahndungsliste der Polizei erschienen. Nicht, dass er ernsthaft damit rechnete, dass Georg den Diebstahl anzeigen würde; aber er würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen und jeden in dieser Stadt, den er kannte, nach dem Jaguar mit dem auffälligen Nummernschild Ausschau halten lassen.
Während Will in die Stadt zurückfuhr, achtete er nicht nur streng darauf, die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht zu überschreiten und sich auch sonst an sämtliche Verkehrsregeln zu halten, sondern fragte sich auch immer verzweifelter, was er jetzt eigentlich tun sollte. Er hatte seine Flucht weder geplant, noch hatte er wirklich damit gerechnet, dass sie gelingen könnte. Und wenn er ehrlich zu sich selbst war, war er längst mit seinem Latein am Ende. Es gab niemanden, an den er sich um Hilfe wenden konnte. Keinen Platz, wo er sicher war, und im Grunde auch nichts, was er tun konnte.
Gut, er konnte zur Polizei gehen und ihnen die ganze Geschichte erzählen, was mit ziemlicher Sicherheit dazu führen würde, dass man ihn einsperren oder gleich in die Klapsmühle bringen würde. Er konnte die Stadt verlassen und irgendwo untertauchen, aber so etwas funktionierte auf Dauer nur in Kriminalfilmen; in Wirklichkeit nur für eine begrenzte Zeit und meistens für eine sehr viel kürzere Zeitspanne, als allgemein angenommen wurde. Sowenig der Gedanke Will gefiel – im Grunde hatte er nur eine einzige Chance: Er musste Duffy finden und sie ihren Eltern zurückbringen; oder schlimmstenfalls der Polizei. Immerhin hatte er jetzt einen Namen – und dank Georgs großzügiger Spende auch genug Geld, um wenigstens ein paar Tage durchzuhalten. Er machte sich nichts vor. Seine Chancen, Duffy zu finden, tendierten unangenehm weit in Richtung null, und auch die gestohlenen Nummernschilder würden ihn nicht allzu lange vor Georgs
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