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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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auf und ging auf das Regal zu, aus dem heraus sie Dutzende von Drachen anzufunkeln schienen, manche aus roten aggressiv wirkenden Augen, als wollten sie sich im nächsten Augenblick auf sie stürzen und ihr eine feurige Lohe ins Gesicht speien. »Ich habe zwar nicht alles verstanden, aber was ich gehört habe, das habe ich mir gemerkt. Ich hab ein gutes Gedächtnis.«
    »Du … du willst mich erpressen?«, murmelte Will. Das war absurd. Bildete sich diese spindeldürre kleine Kröte tatsächlich ein, ihn unter Druck setzen zu können?
    Die simple Antwort auf diese Frage lautete: Ja. Und das Schlimme war: Sie bildete es sich nicht nur ein.
    »Ich werde Reimann alles erzählen, was ich gehört habe«, bestätigte Duffy, ohne sich zu ihm umzudrehen. Sie nahm einen Drachen in die Hand, eines der größten und schönsten Modelle aus Wills Sammlung, dessen ausgebreitete Schwingen fast so groß waren wie die eines Raubvogels. »Und wenn das nicht reicht, dann denke ich mir eben noch was aus.« Sie hob die Schultern, wie um jeden Einwand von vornherein zu entkräften. »Wahrscheinlich werden sie früher oder später rausfinden, dass es nicht stimmt, aber das macht nichts. Jedenfalls kriegst du eine Menge Ärger.«
    »Du verdammte kleine Ratte«, sagte Will. »Du willst mich tatsächlich erpressen? Ist das der Dank dafür, dass ich dir geholfen habe?«
    »Zuerst einmal hast du mich über den Haufen gefahren«, erwiderte Duffy trocken. Sie drehte sich zu ihm um – den Drachen vorgestreckt, der aussah, als wolle er jeden Moment aus ihren Händen heraus aufsteigen –, grinste und schüttelte ihr verletztes rechtes Bein. Die Schrammen unter der zerfetzten Jeans waren längst verschorft, aber sie sahen nicht besonders hübsch aus. »Und das hier stammt auch von dir, wenn ich mich richtig erinnere.«
    »Du …!« Will trat drohend einen Schritt auf sie zu und blieb wieder stehen. Seine Fassungslosigkeit wich allmählich aufkeimendem, rasch stärker werdendem Zorn. Aber zugleich fühlte er sich auch immer hilfloser.
    »Tu dir nur keinen Zwang an«, grinste Duffy. »Wenn du mich schlagen willst …« Sie zuckte mit den Schultern, drehte sich wieder um und stellte den Drachen zurück, so langsam und bedächtig, als habe sie alle Zeit der Welt. »Aber ich kann auch ziemlich laut schreien, weißt du?«
    »Ich habe nicht vor, dich zu schlagen«, antwortete Will, und das war die Wahrheit. Er war niemals ein gewalttätiger Mensch gewesen, und erst recht nicht Kindern gegenüber – was allerdings keineswegs bedeutete, dass er sie mochte. Und ein ganz bestimmtes Kind zumindest im Augenblick schon gar nicht. »Aber ich habe auch nicht vor, mich von dir erpressen zu lassen, Schätzchen.«
    »Du hast gar keine andere Wahl«, behauptete Duffy. Diesmal nahm sie das Schätzchen kommentarlos hin, wenn auch mit einem missbilligenden Stirnrunzeln.
    »Du stellst dir das zu leicht vor«, erwiderte Will. »Ich fürchte, du hast ein paar Kriminalfilme zu viel gesehen. In Wirklichkeit ist es nicht ganz so einfach, weißt du?«
    »Ach?«, machte Duffy und nahm einen anderen Drachen in die Hand, eine kleine, aggressiv wirkende Ausgabe von Smaug, dem Drachen aus dem Kleinen Hobbit.
    »Du bist nicht die Einzige, die ein paar interessante Dinge zu erzählen hat«, sagte Will. »Du hast mich belogen.«
    Mit einem nachdenklichen Stirnrunzeln stellte Duffy den rotgoldenen Smaug wieder an seinen Platz zurück und wandte sich Will zu. »Wieso?«
    »Der Unfall«, erwiderte Will. »Er kann sich nicht ganz so abgespielt haben, wie du es erzählt hast. Nicht so, wie sie den Wagen und vor allem den Toten gefunden haben.« Er behielt Duffy scharf im Auge, während er sprach, und die Reaktion auf ihrem Gesicht verriet ihm, dass er auf dem richtigen Weg war. Trotz allem kam er sich ein bisschen albern vor, wie er hier in seinem eigenen Wohnzimmer stand und mit einem Kind diskutierte, als wäre es eine zwergwüchsige Oberstaatsanwältin, die es auf seinen Skalp abgesehen hatte. Zugleich aber fand er allmählich beinahe Gefallen an diesem Disput. Der Kampf war unfair und im Grunde nicht einmal seiner würdig, aber er genoss das Gefühl trotzdem, ihren heimtückischen Angriff nicht nur abgeschmettert zu haben, sondern auch ihre Verteidigung Stück für Stück zu zerpflücken.
    »Ich kann mir ungefähr vorstellen, was passiert ist«, fuhr er fort. »Es hat einen Unfall gegeben. Aber nicht, weil der Fahrer unaufmerksam war. Es war deine Schuld, habe ich Recht? Du hast

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