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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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bewusstlose!, flehte Will in Gedanken) Mädchen wieder über die Schulter.
    »Raus hier!«, keuchte sie, während sie aufsprang und zur Tür herumwirbelte. »Ihr müsst raus hier, schnell! Und warnen Sie die anderen Hausbewohner!«
    Damit riss sie die Tür auf und stürmte hinaus, und Will hörte sie draußen mit schriller, panikerfüllter Stimme »Feuer!« schreien. Ihre Schritte polterten auf der Treppe und waren wenige Augenblicke später verklungen.
    Der Boden zitterte wieder. Die Erschütterung war nicht so heftig wie die vorhergehenden, aber irgendwie machtvoller, und diesmal war Will sicher, dass er sich das unheimliche Grollen dazu nicht nur einbildete.
    Mit zusammengebissenen Zähnen stemmte er sich weiter in die Höhe, presste die Hand gegen seine gezerrte Schulter und versuchte dann zu Reimann zu gelangen, aber der Polizeibeamte schüttelte heftig den Kopf.
    Das Chaos am Dresdener Hauptbahnhof war unvorstellbar. Überall, wo ich hinblickte, sah ich Menschen in Panik und Tote, Verwundete und Sterbende. Es war ein Wunder, dass der Bahnhof selbst so gut wie nichts von der verheerenden Bombennacht abbekommen hatte und dass die Gleise noch intakt waren, aber auch bis hierhin drang flackernder Feuerschein aus der Stadt, und ich glaubte den süßlichen Geruch von Blut und Verwesung wahrzunehmen. Ich hatte versucht, Claras Augen zuzuhalten, ein dummer, hoffnungsloser Reflex, und natürlich hatte sie meinen Griff gesprengt … und jetzt stand sie auf nein, sie sprang geradezu hoch, und ehe ich mich versah, zwängte sie sich mit dem Geschick einer Katze durch die dicht gedrängten Menschen in unserem Abteil.
    »Clara!«, schrie ich mit überschnappender Stimme. Ich versuchte hochzukommen, aber ich war zu langsam; die alte Frau mit der Männerbrille stieß mir versehentlich den Ellbogen gegen das Nasenbein, und ich stolperte über ein zu spät zurückgerissenes Bein …
    »Kümmern Sie sich um … Falkenberg«, keuchte er. Will glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er sich – umständlich hin und her schwankend wie das berühmte Schilfrohr im Wind, aber dennoch erstaunlich schnell – aufrichtete und nun doch seine Waffe zog. Er brauchte zwei Ansätze, um die Tür zu erreichen und hindurchzustürmen, aber als er draußen auf dem Flur angekommen war, wurde das Geräusch seiner Schritte flüssiger.
    Will hingegen hatte immer größere Mühe, sich zu bewegen. Die Schmerzen waren fast vollkommen erloschen – selbst sein ausgekugelter Arm tat kaum noch weh, zumindest wenn er ihn nicht zu intensiv zu bewegen versuchte –, aber nicht nur der Schmerz hatte sich verabschiedet, sondern auch nahezu jedes Gefühl unterhalb seiner Hüfte. Er konnte seine Beine bewegen, aber sie fühlten sich an, als wären sie mit Gelee gefüllt. Er brauchte gut zwanzig Sekunden, um Falkenberg zu erreichen, und noch einmal dieselbe Zeit, um ihn mühsam auf den Rücken zu drehen, wobei er nur seine linke Hand einsetzen konnte.
    Falkenbergs Gesicht sah aus, als wäre es mit einem Baseballschläger behandelt worden; wenigstens auf den ersten Blick. Auf den zweiten entpuppte sich die Verletzung als nicht ganz so schlimm – er hatte eine hässliche Platzwunde auf der Stirn, die wie die meisten Kopfverletzungen sehr stark blutete. Vermutlich würde er außer heftigen Kopfschmerzen keinen weiteren Schaden zurückbehalten – und die gönnte ihm Will von Herzen.
    Offensichtlich durch die rüde Bewegung geweckt, öffnete Falkenberg die Augen, blinzelte einen Moment verständnislos zu Will hoch und stöhnte dann leise. »Wo …?«
    »Sie ist weg«, unterbrach ihn Will. »Reimann ist hinter ihr her, keine Sorge. Aber wir müssen raus hier.«
    »Was ist passiert?« Falkenberg stemmte sich unsicher in eine halbwegs sitzende Position hoch, presste die Lippen aufeinander, um ein neuerliches Stöhnen zu unterdrücken, und fuhr sich mit der flachen Hand zuerst über die Stirn, dann durchs Gesicht, womit er das Blut, das noch immer aus seiner Platzwunde sickerte, noch weiter verschmierte. Er sah jetzt vollends aus wie ein abgestochenes Schwein, fand Will.
    »Keine Ahnung«, antwortete er – was zugleich gelogen wie auch irgendwie wahr war. Er hätte Falkenberg sagen können, was er gesehen hatte, aber nicht, was es bedeutete.
    Irgendwie gelang es ihm, nicht nur auf die Füße zu kommen, sondern trotz seines verletzten Arms auch Falkenberg auf die Beine zu helfen. Draußen im Treppenhaus war es mittlerweile laut geworden. Stimmen schrien aufgeregt

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