Feuer / Thriller
»… bevor Kane und ich zu Davids Hütte gefahren sind, um Lincoln auf die Wache zu holen.«
»Liv, warst du heute Nacht mit David zusammen?«
Sie nickte und blickte dann zur Seite.
»Und du weißt auch, dass das in Ordnung ist, oder? Das hat nichts hiermit zu tun.«
»Wenn ich zu Hause gewesen wäre, wäre ich schneller am Tatort gewesen.«
»Und vielleicht würde ich mir jetzt deine Leiche ansehen«, gab er scharf zurück. »Du weißt ganz genau, dass es so nicht funktioniert. Du hättest im Stau stecken können, oder vielleicht hätte Kane beschlossen, auf Verstärkung zu warten. Tausend Dinge hätte geschehen können.«
»Ich weiß.« Aber es änderte nichts an den Tatsachen. Wäre sie dort gewesen, hätte Kane Rückendeckung gehabt und würde noch leben. Aber so war es nicht gewesen, und es ließ sich nicht mehr ändern. Sie konnte nur tun, was er von ihr verlangt hätte – ihren gottverdammten Job nämlich.
»Hast du David schon gesagt, dass mit dir alles okay ist?«, fragte Noah. »Er wird mitbekommen, dass ein Officer getötet worden ist, und sich fragen, ob du es gewesen bist.«
Ja, das würde er, wie sie jetzt erkannte. »Nein, ich habe nicht daran gedacht. Aber ich bezweifle, dass er es schon gehört hat, denn er war bereits fort, als ich den Anruf bekam. Es hat einen Häuserbrand gegeben …« Sie brach ab und sah stirnrunzelnd auf. »In Woodview. Muss ziemlich schlimm sein. Hast du nicht gestern beim Meeting etwas von Woodview erzählt?«
»Stimmt. Da hat Tomlinson ein Haus für seine Geliebte gekauft. Und das wäre möglich, oder? Dass die Brandstifter ein Feuer gelegt haben, um mit der Evakuierung abzulenken?
»Ja. Finden wir heraus, ob Tomlinsons Haus auch zu Schaden gekommen ist.« Sie richtete sich plötzlich auf, als sich die Türen nach draußen öffneten und Abbott mit einer kleinen, schluchzenden Frau im Arm eintrat. »Jennie«, murmelte sie.
»Denk daran, dass du das hier nicht zu verantworten hast«, sagte Noah ruhig. »Sie braucht keine Schuldgefühle von dir. Sie braucht Stärke.«
Olivia nickte unsicher und ging ein paar Schritte auf sie zu. »Jennie.«
Kanes Frau taumelte ihr in die Arme. Olivia hielt Jennie fest und wiegte sie. »Er hat einem Jungen das Leben gerettet«, murmelte Olivia hilflos.
»Ich weiß«, gab Jennie schluchzend zurück. »Bruce hat es mir gesagt. Ich kann es einfach nicht glauben.«
»Ich auch nicht«, flüsterte Olivia. »Es tut mir so leid.« Jennie nickte und blieb in ihre Arme geschlungen stehen, und lange schwiegen beide, bis Olivia seufzte. »Er ist dort drin. Ich kann mit dir gehen.«
Jennie machte sich los. Sie weinte noch immer, stand aber aufrecht da. »Nein danke. Ich muss einen Moment allein sein.« Sie nahm Olivias Hand und tätschelte sie. »Er hat so viel von dir gehalten!«
Olivia konnte nur nicken. Worte wollten nicht mehr kommen. Sie stand wie erstarrt da, während Jennie an ihr vorbei und durch die Tür ging, hinter der Kane lag. Abbott drückte ihre Schulter.
»Gehen Sie nach Hause, Olivia. Wir werden diese Nacht überstehen, und mehr müssen wir heute nicht mehr tun.«
Sie musterte ihn prüfend und sah, dass auch er geweint hatte. Abbott und Kane hatten sich schon sehr lange gekannt. »Ich brauche jemanden, der mich zur Schule fährt. Mein Wagen steht noch dort.«
»Ich kann sie fahren«, sagte Noah. »Wir sehen uns morgen früh um acht.«
Abbott nickte schwer. »Wir kriegen diesen Mistkerl. Ich hab’s Jennie versprochen.«
»Komm, Liv.« Noah nahm ihren Arm. »Fahren wir.« Er führte sie zu seinem Wagen, machte ihr die Tür auf und stieg selbst ein. »Wohin?«
»Wieder zur Schule.«
Er zog die Brauen hoch. »Wegen deines Wagens?«
»Auch. Erst muss ich mit Kenny reden.«
»Brauchst du dazu nicht einen Dolmetscher?«
»Es wird sich schon jemand finden, der mir helfen kann, aber wenn nicht, kümmert es mich auch nicht.« Sie presste die Kiefer zusammen. »Und wenn ich meine Fragen in Stein meißeln muss – der Junge wird mir antworten!«
»Okay.«
Olivia starrte aus dem Fenster, während Noah fuhr, aber sie sah nur Kanes leblose Gestalt auf dem Boden. »Was soll ich nur tun?« Die geflüsterte Frage war heraus, bevor sie wusste, dass sie sie hatte stellen wollen.
»Was Bruce gesagt hat. Wir werden diese Nacht überstehen. Und den nächsten Tag. Und wir finden den Kerl, der deinen Partner erschossen hat, und machen Hackfleisch aus ihm.«
Sie wandte sich ihrem Freund zu und sah, dass seine Wangen nass waren.
Weitere Kostenlose Bücher