Feuer um Mitternacht
Ich nahm meinen Faden wieder auf.
„Was wissen Sie über Sönderup?“
„Er war ein Außenseiter, mit dem das Dorf nicht recht fertig wurde. Ein Sonderling, der sich wenig um andere kümmerte. War meistens schroff, konnte aber auch überraschend liebenswürdig sein. Eigentlich kein Ekel, jedenfalls habe ich ihn nicht für eins gehalten. Sönderup ist in jungen Jahren von einer Nachbarinsel herübergekommen und wurde von einem kinderlosen Ehepaar adoptiert. War Sparkassenleiter, als solcher nicht beliebt, aber ungewöhnlich tüchtig in seinem Fach. Spekulierte glücklich in Aktien, wurde immer gesagt. Er vermietete nicht an Sommergäste
— das gilt in Tarrafal als Zeichen für besonderen Wohlstand. Selbst Polizisten vermieten... Ich sagte es ja. Alles zusammen: Ein Mann, der sich nicht seiner Umgebung anpaßte , der gegen den Strom schwamm und darum Gerede und Neider auf sich ziehen mußte. Seine Frau ist ein stilles, mausgraues Frauchen, das in seinem Schatten welkte. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.“
„Hatte Sönderup Feinde? Gibt es Menschen, die Grund hatten, ihn zu hassen? Streit? Ernsthafte Meinungsverschiedenheiten?“ Ich schoß eine Serie von Fragen ab, die ich immer wieder stellte.
Die Fragen behagten Tackert nicht. Die Kaumuskeln bewegten sich in seinem klobigen Gesicht, während er sich seine Antworten zurechtlegte. Er rauchte umständlich eine Zigarre an.
„Ich kann Ihnen keine Namen nennen. Nicht für einen ernsthaften Feind. Sie...“ Er zögerte, als sei es ihm widerwärtig, kleine Dorfgeheimnisse an Fremde weiterzugeben. Ich war für ihn ein Fremder. „Sie werden es wohl von anderen hören, daß Peter Sönderup und Niklas Hageldorn sich nicht gewogen waren. Dabei ging das wohl mehr von Sönderup aus. Jeder nannte den anderen einen alten Narren — dabei waren beide keine. Sönderup betrat den Laden seines nächsten Nachbarn nicht. Es gab einen Streit zwischen den beiden um eine Straßenlaterne. Jeder wollte sie auf seiner Straßenseite aufgestellt wissen: Sönderup an der Ecke, Hageldorn in Höhe seines einzigen Schaufensters. Man fand einen Mittelweg: auf Sönderups Straßenseite vor Hageldorns Schaufenster. Wollen Sie daraus eine wirkliche Feindschaft konstruieren? Ich nicht.“
„Merkwürdig, daß niemand den Feueralarm ausgelöst haben will“, sagte ich. „Vielleicht war’s der Brandstifter selber. Aus Angst oder Schrecken über das, was er tat, gab er Alarm. Oder er kalkulierte die Wirkung des Windes ein und wußte genau, daß Sönderups Haus nicht mehr zu retten sein würde. Später verschwieg er diese Tatsache, weil er nicht zugeben konnte, daß er in der Brandnacht auf der Straße war.“
„Mag sein“, sagte Tackert. „Ich habe überall herumgefragt und nichts herausgefunden. Vielleicht haben Sie mehr Erfolg.“
Zwölf Jahre Polizist in einem Ort! Seine Tochter wuchs hier auf. Er spielte Skat und kegelte mit ihnen... Da konnte man nicht so mißtrauisch sein wie ein ortsfremder Kriminalist.
Ich wollte noch einmal in den Ameisenhaufen hineinstochern, auch wenn es ihm nicht paßte.
„Herr Tackert“, sagte ich, „ über ,glauben’ haben Sie mir schon Ihre Meinung gesagt. Trotzdem: Halten Sie es für möglich, daß Markus Unschlitt das Feuer gelegt hat?“
„Ich habe alles berichtet, was ich verantworten konnte. Ich weiß, was man von mir erwarten darf. "Was nun kommt, ist Ihr Geschäft, Bank. Damit habe ich nichts zu schaffen.“ Er ballte die Fäuste, daß sie wie knorrige Baumstubben zwischen uns auf der Tischplatte lagen. „Ich hoffe, daß es nichts anderes als ein Unglück war! Daß es keinen Brandstifter gibt! Und wenn nicht, daß Sie einen Brandstifter von wer-weiß-woher beschaffen — nur nicht aus Tarrafal. Gut, ich bin Polizist — Hüter der Ordnung... Ach, machen Sie daraus, was Sie wollen!“
Er möchte nicht, daß Markus Unschlitt verdächtigt wird, dachte ich. Er hat meine Frage umgangen, nicht beantwortet. Warum? Verschwieg hier der eigene Mann schon etwas? Komische Situation, wenn der Kollege einen Funken Mißtrauen entzündete.
Ich ließ mir eine Liste von Namen geben, die es lohnte zu befragen: Hageldorn, Sellmer , Küppers. Und Unschlitt natürlich. Gesichter, die ich sehen wollte, Stimmen, deren Glaubwürdigkeit ich prüfen mußte.
Zuerst benötigte ich eine Unterkunft — nicht zu teuer, wenn es ging. Ich versuchte mit meinen Spesen auszukommen. Als ich Tackert um Rat bat, druckste er etwas herum, sagte, bei ihm leider nicht... Weil sich
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