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Feuer um Mitternacht

Feuer um Mitternacht

Titel: Feuer um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boy Lornsen
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noch ein Gast für die späte Jahreszeit angesagt hatte, einer, der jedes Jahr käme... Sonst wäre ich in seinem Hause willkommen gewesen. Ich hätte das Angebot ohnehin abgelehnt. Ich will unabhängig sein, wenn ich unterwegs bin.
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    Schließlich sagte Tackert: „Am besten, Sie fragen mal bei Lene Steenkamp an. Ihr altes Haus steht am Ostende des Dorfes — ein sehenswertes Haus, auch von innen. Und eine bemerkenswerte Frau, klug, aber nicht leicht mit fertigzuwerden. Raucht Zigarren, spielt einen brillanten Skat, ist die lebende Chronik von Tarrafal. Was sie nicht weiß, werden Sie nirgendwo erfahren — nur fragt sich, ob sie reden will. Wenn Lene Steenkamp aus Tarrafal Gefallen an Ihnen findet, Herr Bank, werden Sie wie im Himmel wohnen und Ihre Spesen sparen.“
    Polizeiobermeister Tackert lächelte hintergründig.
    Na gut! Ich verabschiedete mich und ließ mir den Weg zur Brandstätte beschreiben. Die wollte ich noch in Augenschein nehmen, bevor ich diese Lene Steenkamp aufsuchte. Seine Begleitung lehnte ich ab.

    Es ist immer dasselbe: Ich komme, wenn alles passiert ist. Kalter Brandgeruch, der überall zu kleben scheint, leitet mich an den Tatort. Verkohlte Balken, zerborstenes Glas, geschwärzte Mauerreste—Zerstörung erwartet mich. Manchmal auch Menschen, die mit rotverquollenen Augen immer noch in den Trümmern herumstochern, oder obdachlose Katzen, wie hier.
    Ein Kater mit dickem Kopf und krummem Buckel hockte auf einem Baumstumpf und starrte dorthin, wo vor zwei Tagen noch sein angestammter Katzensessel gestanden hatte. Als ich näherkam, sprang er ab und hinkte entlang dem Gerippe einer verkohlten Buchsbaumhecke davon.
    Das Feuer hatte alles vertilgt, was in seiner Reichweite gewesen war.
    Mein Blick streifte den Baumstumpf, den der Kater geräumt hatte: eine Schnittfläche, noch hell, nicht sehr alt. Der umgesägte Birnbaum im Garten! Lieferte ein Erwachsener einen solchen Streich? Unwahrscheinlich! Es sei denn, er wollte den Streich eines Jugendlichen vortäuschen. Möglich war alles. Andererseits mußten Feuer und Streiche nicht unbedingt zusammenhängen, auch wenn sich einem der Gedanke aufdrängte.
    Es ging stark auf den Abend zu. Lange wollte ich mich nicht an diesem Platz aufhalten. Trümmer und Brandgeruch regen meine Gedankenarbeit nicht an. Brandstätten sind mehr eine Fundstätte für Spezialisten der Technik und der Feuerwehr, die eine Brandursache heraussieben — oder auch nicht.
    Ich habe mich mit Menschen zu befassen, mit dem, was sie sagen und ob sie die Wahrheit sagen.
    Niemand zeigte sich in meiner Nähe, und doch glaubte ich zu spüren, daß ich von verborgenen Augen beobachtet wurde. Im Haus, das an den Garten grenzte, wedelte die Gardine des Eckfensters. Gegenüber, über die Straße hinweg, drängten sich zwei undeutliche Gesichter hinter dem Glas der Ladentür. „Niklas Hageldorn — Kolonialwaren“ verkündete ein Schild über dem schmalbrüstigen Schaufenster. Feriengäste würden diesen Kramladen gewiß „entzückend“ nennen. Ob der Mann immer noch Salzheringe aus dem Faß verkaufte oder Grüne Seife aus der Tonne?
    Ich war jetzt drei Stunden in Tarrafal, lange genug, um von Haus zu Haus zu signalisieren: Einer von der Kripo ist da! Wohlige Schauer der Spannung und Neugierde rannen ihnen über die Rücken. War einer dabei, bei dem sich Neugier mit Furcht mischte?
    In Tarrafal ist nichts geheimzuhalten ... Polizeiobermeister Tackert wußte, was er sagte. Aber irgend jemand bemühte sich, sein Tun geheimzuhalten . Und bis jetzt war es ihm auch gelungen.
    Der Baumriese gegenüber schob seine Äste fast über die halbe Straßenbreite: Hageldorns Kastanie, der Unglücksbaum! Vierzig Meter von mir entfernt hing vor einem halben Jahr ein Mensch an einem Strick. War das der Ausgangspunkt?
    Ich wanderte langsam um das Trümmerfeld herum, suchte mir wie ein ungeübter Bergsteiger einen Weg durch das herumliegende Geröll. Und ich spielte die Rolle, die meine heimlichen Zuschauer von mir erwarteten: Der Kriminalist sucht Spuren! Ich blieb stehen, schaute mit schiefgeneigtem Kopf hierhin und dahin, beugte mich hin und wieder ruckartig nach unten, stocherte, schob Trümmer beiseite, hob etwas auf, betrachtete lange....Er hat was gefunden! Was bloß?
    Ich fand etwas: roten Mohn! Ein Bild mit rotem Mohn hinter Glas — unbeschädigt. Ein Indiz dafür, daß unerklärliche Zufälle ein Ding unversehrt aus einer Feuerhölle entrinnen lassen können. Das war meine ganze

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