Feuer um Mitternacht
hineingegangen. Wen sahst du wieder herauskommen?“
„Niemanden“, sagte ich.
Wir trennten uns. Er ging geradeaus, und ich nahm den Feldweg.
Schlimmer konnte es auch nicht sein, wenn man durch Mutters Heißmangel gequetscht wurde. Er hatte mich ausgewrungen wie ein Handtuch. Jetzt konnte ich Sylvie erzählen, was ein Polizeiverhör bedeutete...
Theo Bank:
die ganze Wahrheit?
Am Samstag, noch vor dem Mittagessen, bekam ich meinen Mann: Er stand nicht im Notizbuch!
Ich hatte den Flickenteppich zusammengestückelt, die einzelnen Fetzen an die richtigen Plätze geschoben, was wichtig und bedeutsam war in die Mitte gerückt und die weniger wichtigen Tatsachen um den Rand herum angeordnet. Es gab ein paar Löcher, die ich mit Vermutungen füllen mußte, aber sie verdarben meine Geschichte nicht. Manche Bruchstücke paßten nicht ganz nahtlos zusammen, ließen Spalten und Zwischenräume — das waren die kleinen und großen Lügen, die ich nicht nachweisen konnte oder wollte.
Die Lösung für den „Fall Tarrafal“ fand ich noch am gleichen Abend, nachdem ich Markus Unschlitt auf dem langen Marsch am Strand verhörte. Doch ich mußte noch bis zum nächsten Morgen warten, um zwei Personen zu befragen, die mir die endgültige Bestätigung brachten.
Ich entschied mich, die geheimnisvolle Zigarrenglut als Wahrheit und nicht als Markus Unschlitts fragwürdige Erfindung zu nehmen. Ich war überzeugt, daß der Junge die Person kannte, die diesen Zigarrenstummel auf die Straße schleuderte, sie aber aus irgendwelchen Gründen mit der Inbrunst und Starrsinnigkeit eines Vierzehnjährigen nicht verraten wollte. Ein Fernglas, das ihm genau im rechten Augenblick aus den Händen fiel, weil er den Lederriemen nicht um den Hals legte... Seine Überraschung und Verlegenheit, als ich ihm diese Frage wie aus dem Hinterhalt an den Kopf warf... Nein, diese Lüge war zu dünn und zu durchsichtig.
Ein Zigarrenraucher war es. Und ich hatte mehrere zur Auswahl, die in jener Brandnacht unterwegs gewesen waren.
Frau Steenkamp empfing mich an der Haustür, als ich von dem Treffen mit Markus Unschlitt zurückkam. Ihr Gesicht konnte ihre Besorgnis nicht verbergen.
„Glauben Sie jetzt noch immer, daß Markus Unschlitt Ihr Täter ist?“ fragte sie.
„Nein.“
„Das wollte ich nur wissen.“
Vielleicht hätte sie gern mehr erfahren; aber ich gab mich wortkarg. Ich wollte allein sein und Zwiesprache mit meinem Notizbuch halten.
Ich rückte Markus Unschlitt in die Mitte meines Flickenteppichs. Er war die Hauptperson; denn er hatte die Dinge verwirrt. Rund um ihn herum ordnete ich den verschwundenen Wetterhahn, den umgesägten Birnbaum, drei Pfeile und drei rote Hähne an — Geschehnisse, für die er verantwortlich war. Und Hageldorns Kastanie gehörte zu ihm, der Unglücksbaum, an dessen langem Ast sich Titus Unschlitt, sein Vater, erhängte. In ihrem Geäst saß er viele Nächte, glaubte, seinem Vater nahe zu sein, beobachtete einen Feind, den er sich gewählt hatte, um hassen zu können. Schoß rote Hähne in dessen Dach, spielte mit dem
Feuer... Das waren Vermutungen und Tatsachen. Zu Markus gehörte eine Mutter, die am Leben wie am Tode ihres Mannes krankte, die ihm nicht helfen konnte — die sich selber nicht helfen konnte. Zu Markus gehörte ein Stein, den er in der Brandnacht durch ein Giebelfenster warf, um die vom Feuer bedrohten Sönderups zu wecken. Ganz dicht bei Markus Unschlitt, sozusagen als heller Fleck, das Mädchen Sylvie, die Freundin, die er vor dem Ertrinken rettete. Sie war die Freundin — gerade, weil er es so heftig ableugnete. Neben Sylvie setzte ich das Fragezeichen für die abgewischten Fingerabdrücke. Wieder eine Vermutung: Sie konnte in Erfahrung bringen, wo diese Beweismittel aufbewahrt wurden; sie konnte ohne Schwierigkeiten an die entsprechenden Schlüssel heran und — sie war mit Markus befreundet... Eine Sache, der ich nicht weiter nachzugehen brauchte, weil sie nichts mit der Endlösung des Falles zu tun hatte.
Markus Unschlitt war kein Brandstifter! Und ich nahm inzwischen soviel Anteil an den Geschehnissen, daß ich mich darüber freute.
Lene Steenkamp war Zigarrenraucherin.
Lene Steenkamp war die kluge, alte Tante im Hintergrund, die Markus vor allem Übel bewahren wollte. Ein Frau, die ihre Liebe auf andere übertrug, weil sie allein war. Eine Frau, die sich einem Vierzehnjährigen nicht aufdrängte, aus Angst, seine Zuneigung zu verlieren. Die sich einen Kriminalbeamten in ihr Haus
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