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Feuer um Mitternacht

Feuer um Mitternacht

Titel: Feuer um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boy Lornsen
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mit Kränzen und Blumen bedeckt. Sie türmten sich übereinander, so daß man die blanke Erde nicht sah. Einen großen Kranz fand ich. „Peter und Christine Sönderup“ stand auf der Schleife und irgendwas wie „gebe ihm Frieden“. Zuerst wollte ich den Kranz nach der Nordostecke bringen und ihn auf den Abfallhaufen werfen. Dann riß ich doch nur die weißseidenen Bänder ab und warf sie weg. Wo Vaters Kopf ruhte, räumte ich die Kränze beiseite und grub mit den Händen ein Loch in die lockere Erde. Dahinein legte ich das kleine Schiffsmodell, das ich ihm zu seinem Geburtstag gebastelt hatte. Vierzehn Tage später hätte er Geburtstag gehabt... Ich hätte ihm auch gern einen Strauß Staticen gebracht — die mochte er gern. Sie wachsen auf den tiefen Weiden, die von den Sturmfluten überspült werden, und sie strecken gegen Frühjahrsende ihre blauen Blütendolden über die Grabenränder. Aber sie blühten noch nicht.
    Peter Sönderup schickte einen Kranz!
    Warum erhängte sich Vater? Warum erhängte sich Vater in Hageldorns Kastanie? An dem Ast, der genau auf Peter Sönderups Haustür zeigte? Gesagt hatte Vater nichts, und einen Brief an mich hinterließ er auch nicht. Ich durchsuchte damals das ganze Haus danach. Vater ging ohne Abschied von mir. Nur daß Sorgen ihn bedrückten, daß irgend etwas ihn quälte, wußte ich.
    Aber eine Botschaft hinterließ er mir doch: Der lange Ast von Hageldorns Kastanie zeigte auf Peter Sönderups Haus! Daß er sich daran... Das war kein Zufall.
    Es paßte alles zusammen. Sönderup verleiht Geld zu unverschämten Zinsen, erzählten sich die Leute. Ich selber hatte gehört, wie Hannah Postel und David Küppers sich darüber unterhielten. Und mein Vater hatte kein Glück mit dem Geldverdienen. Manchmal besaß er genug, manchmal keins, das hatte sogar ich mitbekommen. Vater mußte sich Geld von Sönderup geliehen haben... Der wollte es zurück, mit Zinsen zurück... drängte, drohte... Vater konnte nicht zahlen, wußte keinen Ausweg... und dann kam die Kastanie... So konnte, nein — so mußte es gewesen sein. Sönderup war ein Hund, und ich war noch nicht fertig mit ihm!
    Tante Lene sprach mal mit mir darüber. „Glaub das Gerede nicht“, sagte Tante Lene. „Peter Sönderup verleiht kein Geld im Dorf. Er nutzt Möglichkeiten, die ihm mehr Gewinn bringen.“ Sie wollte es mir ausreden. „Markus, dein Vater war krank, sehr krank.“ Ja, krank von Geldsorgen, das wußte ich ja. „Dein Großvater...“ Sie preßte die Lippen zusammen, schüttelte den Kopf, redete nicht weiter. „Was war mit meinem Großvater?“ fragte ich. „Er starb sehr früh.“ Mehr war nicht aus ihr herauszukriegen.
    Ich schaute auf die Uhr: fünf Minuten nach elf!
    Zeit für Peter Sönderups nächtliche Kontrollrunde um das Haus! Den Rundgang erledigte er immer kurz nach elf.
    Ich sah, wie er sich aus dem Sessel stemmte, auf die Stubentür zusteuerte, sie hinter sich offen ließ. Christine begann den Tisch abzuräumen. Dann erschien er in der Haustür, trat weit auf den Steinweg hinaus, so weit, daß er sein Hausdach überschauen konnte: kein Pfeil, kein roter Hahn! Nein, vor drei Tagen bekamst du den letzten. Der Wetterhahn thronte noch auf dem Dachfirst! Davon überzeugte sich Sönderup, sooft ich ihn beobachtete.
    Er durfte unbesorgt sein: Zweimal lieferte ich nicht das gleiche Stück!
    Danach trödelte er gemächlich um sein Haus herum, immer linksherum, überprüfte den Verschluß der Fenster, kam hinter der Hausecke außer Sicht. Jetzt mußte ich fünf Minuten warten, während er die Rückfront des Hauses abpatrouillierte. Dann lief er mir an der rechten Hausecke wieder ins Glas. Zwei Minuten lehnte er noch fröstelnd in der Haustür mit hochgezogenen Schultern, schaute zu Hageldorn hinüber und zur Kastanie.
    Schau du nur! Mich siehst du nicht. Aber vielleicht siehst du meinen Vater noch hängen!
    Der Wind trieb ihn hinein. Noch den Türdrücker in der Hand, bürstete er sich die Schuhe auf der Matte ab, dann erst schloß er die Tür.
    Gleich darauf begann eine Lichterreise, die ich immer wieder miterlebte: Die Reise in das Giebelschlafzimmer mit Licht aus, Licht an, Licht aus. Wohnzimmer, unterer Flur, Badezimmer, oberer Flur, Schlafzimmer... Das Licht zeigte mir die einzelnen Stationen an. Im Giebelzimmer blieb das einzige Fenster gerade so lange hell, bis zwei Menschen ihre Kleider abgestreift und sich in den Betten ausgestreckt hatten. Licht aus!
    Sönderups Kater klemmte sich durch die

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