Feuer und Eis
Miss Karin Wallis galt: répondez s’il vous plaît .
Ohne sie, wurde Xante rasch klar, konnte er nicht zusagen.
Dennoch hielt er sich an seinen Plan. Er wusste genau, was er tat. Deshalb überraschte es ihn nicht sonderlich, dass sie am Freitag anrief.
„Rossi.“ Seine Assistentin hatte ihn längst informiert, wer die Anruferin war, trotzdem ließ er Karin sich vorstellen und gab ihr einige Augenblicke Zeit, ein nervöses Gespräch anzufangen.
„Karin“, unterbrach er schließlich ihr unsicheres Gestammel. „Was willst du?“
„Nun, ich weiß ja, dass du Devotionalien aus der Rugbywelt sammelst. Ich habe die Sachen meines Großvaters durchgesehen und …“
„Du willst den Rest auch noch verkaufen?“, fragte Xante ungläubig.
„Nicht verkaufen“, entgegnete sie schnell. „Ich habe mich gefragt, ob du vielleicht an einem Tausch interessiert bist. Es sind einige sehr schöne, sehr wertvolle Stücke darunter. Ich möchte nur die Rose zurück. Ich habe mit Matthew gesprochen … er ist nicht sonderlich versessen darauf, sie zu erwerben. Zudem befindet sich unser Geld zurzeit in einem Fond, den wir nicht so ohne weiteres auflösen können. Und ohne die Zustimmung meines Bruders …“
Xante verdrehte die Augen. Auf rührselige Geschichten konnte er wirklich verzichten. Erst als ihre Stimme schließlich brach, hörte er aufmerksamer zu.
„Xante, bitte. Ich brauche die Rose. Der Organisator der Ehrung in Twickenham hat mich noch einmal daran erinnert, dass ich sie auf jeden Fall tragen muss. Wie wird es aussehen, wenn ich gestehen muss, dass ich sie nicht mehr besitze?“
„Recht armselig, würde ich sagen.“
„Sehr.“ Mittlerweile weinte sie hemmungslos. „Ich kann dir Pokale anbieten, Fotos. Sogar den Ball, mit dem mein Großvater das legendäre Spiel gewonnen hat …“
„Ich hole dich um elf Uhr ab“, fiel Xante ihr ins Wort.
„Mich abholen?“
„Karin, ich hege nicht die Absicht, deinen Garagenflohmarkt zu besuchen.“ Interessiert betrachtete er die Fingernägel seiner linken Hand. „Und ich plane nicht, meine Rose zu verkaufen. Allerdings verstehe ich deine missliche Lage. Und da ich erst am Sonntag nach Griechenland fliege, wäre es mir eine Freude, dich zu der Veranstaltung zu begleiten. Du erwartest doch wohl nicht, dass ich dir die Rose einfach so überlasse?“
Es entstand eine lange Pause, die Xante mitleidslos aushielt. Seine Karten lagen auf dem Tisch.
„Ich komme zum Hotel.“ Ihre Stimme klang angespannt. „Aber wir müssen uns um halb elf auf den Weg machen. Ich muss um elf dort sein.“
„Du kannst natürlich schon früher fahren, Karin“, erwiderte er kühl. „Aber ich habe erst ab elf Zeit.“
Er ließ sie bis zehn nach elf warten.
Dann schlenderte er ins Foyer, in dem sie stocksteif saß. Wie eine gespannte Feder sprang sie auf, als sie ihn erblickte.
Falls sie wütend über seine Verspätung war, ließ sie es sich nicht anmerken. Hastig küsste sie ihn auf die Wangen und bedankte sich höflich, als er ihr die Rose reichte. Die in Tränen aufgelöste Frau, mit der er gestern telefoniert hatte, war verschwunden. Die Frau von heute trug einen hellblauen Hosenanzug, die blonden Haare fielen ihr offen über die Schultern. Der Gürtel des passenden Trenchcoats war auf dem Rücken locker geknotet. Graue Stilettos betonten ihre langen Beine.
Seine Versuche, auf der Fahrt ins Stadion mit ihr zu plaudern, verliefen unergiebig im Sande, weil sie nur einsilbige Antworten gab. Hätte es sich um irgendeine andere Frau gehandelt, er hätte den Wagen angehalten und ihr befohlen auszusteigen.
Es war seine Luxuskarosse, in der sie vorfuhren, hätte Xante sie am liebsten erinnert, seine Rose, die sie umklammerte, seine Großzügigkeit, die ihr die Schande ersparte, mit leeren Händen zu der Feier zu kommen. Und dafür wurde er jetzt ignoriert? Er begriff die Besessenheit der Engländer nicht, zwischen altem und neuem Geld zu unterscheiden. Er kannte seinen Wert und war stolz auf seine Leistungen. Und anders als diese herausgeputzte Schönheit, die starr neben ihm saß, würde er sich nie dazu herablassen zu stehlen. Obwohl er in Armut aufgewachsen war, hatte er es geschafft. Und anders als Karin wusste er durchaus, wie man sich amüsierte.
Und auf der Feier wurde einiges an vergnüglicher Unterhaltung geboten. Allein sich unter die geladenen Gäste zu mischen, mit ihnen zu plaudern, der gemeinsamen Rugbyleidenschaft zu frönen und absurde Anekdoten auszutauschen,
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