Feuer und Eis
wollte sie dort spüren, nur unter den Mantel sollten sie nicht schlüpfen, weil er dann ihre Narben ertastet hätte.
Mittlerweile presste er sich mit seinem ganzen Körper an sie, und sie zog ihn noch enger an sich. Küsse reichten nicht mehr aus, sie sehnte sich nach mehr. Xante küsste einen sinnlichen Pfad ihren Hals entlang, umfasste eine Brust mit der Hand, was eine heiße Flamme tief in ihrem Innern auflodern ließ. Sie spürte, wie er mit der anderen an den Knöpfen des Mantels zerrte. Und für einen Moment war der Wunsch nach seiner Liebkosung so stark, dass sie vergaß … vergaß … Es fühlte sich himmlisch an, seine Hände unter ihr Oberteil gleiten zu spüren, himmlisch, ihre zarte Brust in seiner warmen Handfläche ruhen zu lassen, himmlisch … bis die Erinnerung mit aller Macht zurückkehrte. Hastig fasste sie nach seinem Handgelenk und entwand sich panisch seinen Berührungen. Sie konnte kaum fassen, was sie gerade beinahe hätte geschehen lassen.
„Kämpfst du immer noch?“ Triumph blitzte in seinen Augen auf, ein Blick, der ihr verriet, dass er sehr genau um ihre Sehnsucht wusste.
„Es gibt nichts, wogegen ich kämpfen müsste.“ Sie sandte ihm ein herablassendes Lächeln. Vielleicht glaubte er ihr ja, dass es für sie bloß ein durchschnittlicher Abschiedskuss gewesen war. „Ich sollte jetzt besser hineingehen. Vielen Dank für deine Hilfe heute.“
„Dann bin ich nun wohl entlassen, oder wie?“
„Xante.“ Sie seufzte gereizt. „Ich bin müde. Es war ein langer Tag. Danke, dass du mich zu dem Spiel begleitet und mir die Rose zur Verfügung gestellt hast.“
„Nächstes Mal …“, setzte er an, doch Karin fiel ihm ins Wort.
„Es gibt kein nächstes Mal“, verdeutlichte sie ihm, weil sie das Familiengeheimnis noch zehn endlose Monate bewahren musste. Noch nie war sie so kurz davor gewesen, alles zu enthüllen. Und deshalb musste sie die Sache hier und jetzt beenden.
„Nächstes Mal musst du dir eine Kopie der Rose besorgen“, vervollständigte er seinen Satz, ohne sich unterbrechen zu lassen. „Eine annehmbare Fälschung, die, besser als ihre Besitzerin, einer eingehenderen Prüfung standhält.“
„Wie schon gesagt, danke für deine Begleitung.“ Karin stieg aus dem Wagen. Seine Worte schmerzten in ihrer Seele. Sie musste dringend fort von dem Mann, der unter ihre Oberfläche zu blicken schien. Doch als sie sich nun umwandte, hielt er sie am Handgelenk zurück.
„Als ich dich zum ersten Mal sah, dachte ich, du bist eine hochnäsige Eisprinzessin.“ Er ließ sie los. „Jetzt weiß ich es.“
5. KAPITEL
Sie konnte nicht ins Haus gehen.
Als der Wagen hinter ihr in die Dunkelheit verschwand, lehnte Karin den Kopf gegen die schwere Eichentür und brachte es einfach nicht über sich, sich dem Chaos zu stellen, das ihr Leben war.
Sie wollte Xante.
Den ganzen Tag über hatte sie ihn gewollt … doch ihn zu bekommen, war unmöglich.
Wie sollte sie ihm die Wahrheit erklären? Wie ihm gestehen, dass sich unter einem eleganten Äußeren nur Schmutz verbarg?
Am liebsten hätte sie mit ihrem Großvater gesprochen.
Sie sehnte sich nach jemandem, der ihr sagte, was sie tun sollte, der sie aus diesem elenden Sumpf zog, damit sie endlich einen Weg sah, den sie einschlagen konnte.
Es fiel ihr leichter, ins Auto zu steigen, als ins Haus zu gehen. Ganz mechanisch fuhr Karin den Weg zurück, den sie gekommen war.
Fast glaubte sie, ihr Großvater würde neben ihr gehen, als sie den Wagen auf dem verlassenen Parkplatz abschloss und auf die Eingangstür des Stadions zu eilte. Sie sprach einen der Reinigungskräfte an. Glücklicherweise erkannte der Mann sie und ließ sie auf die Tribüne. Dort setzte sie sich auf einen der kalten Plätze und dachte darüber nach, wie es nun weitergehen sollte. Alles kam ihr so hoffnungslos vor.
„Sobald du glaubst, etwas ist hoffnungslos, dann ist es das auch“, hatte ihr Großvater immer wieder gepredigt. Sie kannte die Geschichte auswendig, er hatte sie ihr so oft erzählt.
England befand sich im Rückstand. Fünfzehn von dreiundzwanzig Punkten hatten sie verloren. In der zweiten Halbzeit stand es bereits null zu drei für Irland. Und dann hatten die Fans angefangen zu singen: Swing Low Sweet Chariot . Der Bann war gebrochen. Mit den anfeuernden Rufen der Zuschauer hinter sich wurde die englische Mannschaft zu einer unaufhaltsamen Kraft. Sie gewannen fünfunddreißig zu drei.
Erzähl es Xante.
Die Stimme ihres Großvaters hallte durch
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