Feuer und Eis
es erforderte, gab sie ihn frei.
Als Patenonkel spielte Xante eine wichtige Rolle während der Zeremonie. Gleich zu Beginn trat er zum Taufbecken und ließ Karin alleine auf der Kirchenbank zurück. Sie glaubte zu spüren, wie unzählige Blicke sich in ihren Rücken bohrten. Hin und wieder drehte Xantes Mutter sich sogar nach ihr um.
„Sprechen Sie eigentlich Griechisch?“ Eine Frau setzte sich auf den Platz neben ihr. Dankbar über die englischen Worte, schüttelte Karin den Kopf. Sie wandte sich der Unbekannten zu und erstarrte. Die Frau besaß eine atemberaubende Schönheit. Ohne dass sie einander vorgestellt wurden, wusste Karin auch so, wer die Fremde war. Seidigschwarzes Haar fiel ihr in prächtigen Locken über die Schultern, ihr Make-up war bis zum pinkfarbenen Lippenstift perfekt. Sie trug ein fuchsiarotes Kleid, das fantastisch zu ihrer olivfarbenen Haut passte. „Ich bin Athena.“ Sie lächelte. „Eine Freundin der Familie.“
Die Zeremonie schien ewig zu dauern, war aber auch sehr, sehr schön. Immer wieder übersetzte Athena die Ereignisse für Karin, die ihr dafür überaus dankbar war. An Xante beobachtete sie einen gewissen Stolz, eine Ernsthaftigkeit, die sie überraschte.
„Er schaut nach Westen“, erklärte Athena leise. „In Richtung der Pforten zum Hades. Jetzt tritt er vor das Taufbecken, das den heiligen Mutterleib symbolisiert.“
Es gab so viele Traditionen. Die Geistlichen salbten den kleinen Christos mit reinem Olivenöl, dann war Xante an der Reihe, es ihnen gleichzutun. „Das Öl“, erläuterte Athena, „vertreibt die bösen Geister.“
Dreimal wurde das Baby ins Taufbecken getaucht, danach wurde ihm der Kopf geschoren, nur ein Kreuz aus Haaren ließ man stehen. Anschließend wurde es in weiße Kleider gehüllt.
Karin kam sich wie eine Betrügerin vor, eine ungehörige Beobachterin einer spirituellen Zusammenkunft. Gleichzeitig verspürte sie eine überwältigende Faszination … was nicht nur an der Taufe lag, sondern auch an Xantes Anblick.
Den rücksichtslosen Geschäftsmann hatte er vor der Tür gelassen. Stolz und aufrecht stand er da, erfüllte seine Rolle mit so viel Würde, dass es Karin einen Stich versetzte. Einen Moment verspürte sie fast so etwas wie Eifersucht – Eifersucht auf seine Familie, die an diesen wunderbaren Traditionen festhielt, eine Familie, die zusammenhielt, eine Familie, die so anders war als ihre.
Und dann schaute Xante zu ihr hinüber. Er lächelte – es war nur ein einfaches „wollte nur wissen, ob alles okay ist“-Lächeln, das ihr trotzdem die Tränen in die Augen trieb. Denn jetzt empfand sie brennende Eifersucht auf die Frau, die Xante eines Tages erobern würde. Wie glücklich würde diese Frau sein, die regelmäßig ein solches Lächeln geschenkt bekam! Wie glücklich würde diese Frau sich schätzen, in seine Familie aufgenommen zu werden! Und wie unendlich glücklich würde sie sich fühlen, sich diesem Mann hingeben zu dürfen und nicht mit ihm schlafen zu müssen, um ihre Schulden abzuarbeiten!
Nach der Taufe fand eine Party in Stellios’ Haus statt. Lammspieße wurden über offenen Feuern gegrillt, die Tische bogen sich unter Schüsseln mit frischen Meeresfrüchten, Brot, Salaten und Oliven. Ein köstliches Festmahl für einen denkwürdigen Tag. Aus Höflichkeit nippte Karin sogar an ihrem Ouzo, als auf das Baby angestoßen wurde, anschließend kehrte sie zu Mineralwasser zurück. Xantes Verhalten überraschte sie abermals. Nie hätte sie sich vorstellen können, ihn einmal so entspannt zu erleben. Er lachte und plauderte mit seinen alten Freunden und seiner Familie … und mit ihr.
Viele Stunden später, die Party war noch in vollem Gange, gesellte sich unvermittelt Athena zu Karin, als sie gerade auf einem der Sofas Platz genommen hatte.
„Amüsieren Sie sich?“
„Sehr.“
„Es ist eine schöne Party. Stellios wollte, dass für seinen Sohn alles perfekt ist.“
„Das verstehe ich.“
„Irgendwie ist es seltsam zu sehen, dass Stellios sich zu einem so liebevollen Familienmensch entwickelt hat“, sagte Athena mit viel Gefühl in der Stimme.
„Er scheint sehr stolz auf seinen Sohn zu sein.“
„Ein stolzer Papa“, stimmte Athena ihr zu. „Früher war er anders, wilder. Natürlich nicht so schlimm wie Xante, aber … Entschuldigen Sie“, murmelte sie, aber Karin spürte, dass ihr die Andeutung überhaupt nicht leid tat. „Es ist nicht fair von mir, Xantes Vergangenheit zu erwähnen.“
„Xante und
Weitere Kostenlose Bücher