Feuer und Eis
nennen wir die Dinge beim Namen.“
„Pass auf, Xante“, warnte Despina ihn. „Athena wird alles dransetzen, Probleme zu machen.“
„Wir haben uns vor fünf Jahren getrennt.“
„Athena sieht das anders.“
Bevor es Zeit wurde, ins Bett zu gehen, folgte noch eine Hausbesichtigung. Und als Despina eine Tür öffnete und auf ein schmales Bett deutete, hätte Karin sie am liebsten küssen mögen.
„Du schläfst hier.“
Ihren Sohn bedachte sie mit einem warnenden Blick. Karin hingegen wagte kaum, Xante anzusehen, doch dann konnte sie einfach nicht widerstehen. Er machte ein verdrießliches Gesicht wie ein Hund, den man während eines Sturms vor die Tür gesetzt hatte.
„Kalinihta“ , meinte sie zuckersüß. „Schlaf gut.“ Sie küsste ihn auf die Wange und schloss die Schlafzimmertür. Die zweite Nacht in Folge schlief sie, anstatt ihre Schulden zu begleichen, selig unter himmelweißen Baumwolllaken, während Despina zweifellos vor der Tür Wache hielt.
8. KAPITEL
Als Karin am nächsten Morgen aufwachte, empfing sie der Duft von Kaffee, frischem Gebäck und Mandeln. Sie hörte, wie Xante und seine Mutter fröhlich auf Griechisch miteinander in der Küche plauderten. Zum ersten Mal seit Jahren, wurde ihr mit einem Blick aus dem Fenster klar, hatte sie verschlafen.
Das schmale Bett war so gemütlich und warm, das Haus wirkte so freundlich und offen, die Geräusche und Stimmen, die durch die Wände drangen, so beruhigend. Es war einfach zu verführerisch, sich noch einmal auf die Seite zu drehen und wieder einzuschlafen – so zu tun, als ob das alles wirklich ihr Leben wäre. Stattdessen stand Karin auf, duschte und zog sich an. Das Kostüm vom gestrigen Abend kam ihr für ein familiäres Frühstück etwas übertrieben vor, deshalb verzichtete sie auf das Jackett und tappte barfuß in die Küche.
„Kalimera!“ Sie lächelte Despina zu, dann Xante, der am Küchentisch saß und in einer Zeitung blätterte. Sie küsste ihn auf die unrasierte Wange. „Hast du gut geschlafen, Liebling?“
„Besser, als ich es heute Nacht werde!“, warnte er sie.
Seine Haut schmeckte nach Salz. „Warst du schon in Meer?“
„Ich habe dir doch gesagt, dass ich jeden Morgen schwimme, wenn ich hier bin.“ Er widmete sich wieder der Zeitung. „Und heute war es besonders notwendig … ich musste reichlich überschüssige Energie abbauen.“
„Armer Xante!“, erwiderte sie. Sie lächelte immer noch, wie sie feststellte – hatte gelächelt, seit sie aufgewacht war. Zwei Nächte fern von ihrem Bruder und dem Chaos zu Hause, und sie begann, das Leben zu genießen.
Es war richtig gewesen, mit Xante nach Griechenland zu fliegen. Die Entfernung half ihr, einige Dinge klarer zu sehen.
Sie war es so leid, eine Fassade aufrechtzuerhalten. Sie hatte es satt, ständig für Matthew zu lügen. Obwohl es nicht in Xantes Absicht gelegen hatte, kam ihr die Reise weit weniger wie eine Flucht, sondern vielmehr wie eine Erlösung vor.
„Nicht ganz, wie du es geplant hast?“, sagte sie sanft, nicht spöttisch.
Er hob den Kopf und bedachte sie mit einem zerknirschten Lächeln, in das sich gleich darauf eine selbstironische Note schlich, die sie zum Lachen brachte.
Leben wollte sie hier zwar nicht, auch nicht mit Xante als Bonus, aber sie genoss es sehr, mit Despina an einem Tisch zu sitzen. Die immer geschäftige elegante Frau mit den klugen Augen und dem wachen Verstand war eine wundervolle Gastgeberin.
„Ich habe ihm schon gesagt, er soll mit dir in die Berge fahren. Sein Moped steht noch in der Garage.“
„Du hast ein Moped?“
„Alle griechischen Jungs haben Mopeds …“ Xante verdrehte die Augen. „Es ist uralt. Ich bezweifle, dass es anspringt, geschweige denn, es bis in die Berge schafft.“
Aber Xante hatte die Rechnung ohne seine Cousins gemacht, die das klapprige Gefährt noch regelmäßig für ihre Ausflüge nutzten. Und, weitere Argumente voraussehend, hatte Despina bereits eine cremefarbene Strickjacke und flache Schuhe für Karin herausgelegt. Xante konnte die Ärmel seines Hemds aufkrempeln. Nur eine alte Jacke seines Vaters anzuziehen, weigerte er sich beharrlich.
Eine Stunde nach dem Frühstück schnürte Despina ihnen ein Lunchpaket und scheuchte sie nach draußen. Von einem Helm schien hier noch niemand etwas gehört zu haben. Wahrscheinlich fährt das Moped nicht sehr schnell, beruhigte Karin sich, obwohl es ihr so vorkam. Ihre Haare flatterten im Fahrtwind, der Rock rutschte höher, als ihr lieb
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