Feuer und Glas - Der Pakt
»Benutzt die Spezialgondel mit dem Gefangenenaufsatz und nehmt den Weg über kleine Kanäle. So erregt ihr am wenigsten Aufsehen.«
»Ihr wollt Milla einsperren lassen?«, fragte Marco entsetzt. »Ihr steckt sie ins Gefängnis, obwohl sie Euch die Gondel gebracht hat?«
»Alles nicht deine Angelegenheiten, Bellino. Wärst du ein besserer Schatten gewesen, wären uns Mühe und Ärger erspart geblieben.«
Schmerzerfüllt brüllte er auf, sank nach vorn. Beide Hände fuhren schützend vor seinen Schritt.
Federicos Ohrfeige traf sie unter dem Auge. Milla wurde blass, aber sie weinte nicht.
»Soll ich weitermachen?«, zischte er. »Oder willst du wenigstens ein gesundes Auge haben, wenn du deine Tante wiedersiehst?«
Milla war wie erstarrt, doch als Federico zu ihr trat und ihr grob die Hände nach hinten riss, während sich Paolo drohend von vorn vor ihr aufbaute, schien etwas in ihr zu explodieren. Sie hob das Knie und stieß zu.
Milla spürte, wie sich die Flamme in ihr erhob.
Feuer hätte sie jetzt spucken können – mitten in sein grinsendes, hinterlistiges Gesicht. Doch er war viel zu unbedeutend, um ihm zu offenbaren, wer sie wirklich war.
Luca, dachte sie, und alles in ihr schrie nach ihm. Sie liebte ihn, das wusste sie aus der Tiefe ihres Herzens.
Ob sie ihn jemals wiedersehen würde?
Und Savinia, die im Haus am Rio Paradiso vergeblich auf die Rückkehr ihrer Tochter wartete. Welche Sorgen müsste sie erst ausstehen!
Milla biss sich auf die Lippen. Auch wenn ihr Herz gerade dabei war, in Stücke zu zerfallen – keiner dieser Männer sollte sehen, wie ihr zumute war!
»Verräter sterben für gewöhnlich früh«, sagte sie mit verächtlicher Miene, als Federico den Strick beim Fesseln ihrer Hände so straff anzog, dass er tief in die Haut schnitt. »Das weiß ich von meinem Vater. Setz also am besten rasch dein Testament auf, Federico! Sonst ist es dazu vielleicht bald zu spät.«
Er hatte keinen Blick für die Prunkgondeln, die längst die Werft Marins wieder verlassen hatten und nun im großen Becken lagen, um am Festtag der Vermählung des Dogen mit dem Meer auszuschwärmen. Nicht einmal der kostbar geschmückte Bucentauro daneben, ebenfalls zum Auslaufen bereit, vermochte heute seine Aufmerksamkeit zu fesseln.
Immer noch leicht benommen von Millas Festnahme, wollte Marco nur noch eines: das Arsenal so schnell wie möglich hinter sich lassen.
Doch er kam nicht weit.
Eine dunkle Gestalt stürzte sich auf ihn und ging ihm ohne Vorwarnung an die Gurgel.
»Wo ist sie? Sag mir sofort, wo sie ist!«
»Lass mich los«, schrie Marco. »Du erwürgst mich ja!«
»Das werde ich, verlass dich drauf, solltet ihr Milla auch nur ein Haar gekrümmt haben!«
Der Angreifer lockerte seinen Griff.
Marco japste nach Luft. Jetzt erst erkannte er, wer ihm aufgelauert hatte: Luca Donato, der Großneffe Marins.
»Wo ist sie?«, wiederholte Luca schneidend. »Schon seit Stunden ist Milla hinter diesen Toren verschwunden! Ich warte, doch sie kommt nicht zurück. Was habt ihr mit ihr gemacht?«
Er liebt sie. Und Milla liebt ihn.
Mit erschreckender Klarheit waren diese beiden Sätze in Marco plötzlich wie eingemeißelt. Wasser und Feuer, die einander unaufhaltsam entgegenstreben …
Seltsamerweise gelang es ihm nicht, die gewohnte Abneigung gegen Luca zu empfinden. Obwohl er einen Anflug von Eifersucht verspürte, mochte er ihn beinahe.
»Der Admiral hat sie ins Gefängnis bringen lassen«, sagte er ohne Umschweife. »Ich konnte es nicht verhindern. Niemand hätte das gekonnt!«
»Wie konnte er das tun? Sie hat ihm doch gebracht, was er wollte!«
»Wer kann schon in den Kopf des Alten schauen? Ich verstehe ihn ja selbst nicht mehr! Angeblich hat er sie einsperren lassen, um sie zum Reden zu bringen. Millas Verbindung zu euch, der Brand …«
»Sie glaubt doch nur, sie habe das Feuer gelegt«, rief Luca.
»Ich weiß. Denn ich habe inzwischen herausgefunden, wer es wirklich getan hat – ein gewisser Querini.«
»Salvatore Querini?« Luca war noch blasser geworden.
»Du kennst ihn?« Marco musterte ihn aufmerksam.
»Ja. Er gehört zu uns. Aber er ist immer ein Außenseiter gewesen. Niemand traut ihm richtig.«
»Dann war Querini also ein Wasserspion! Jemand, der sich ins Arsenal und in die Reeperei eingeschlichen hat, um dort Unheil anzurichten.«
»Er hat in der Seilerei gearbeitet? Das muss ganz allein seine Idee gewesen sein. Keiner von uns hat ihn jemals dazu angestiftet.«
»Nicht nur dort hat er
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