Feuer und Glas - Der Pakt
gestoßen.
Glas?
Millas Herz begann zu rasen.
Sie wühlte weiter, scharrte und buddelte, bis sie schließlich aufschrie. Dann zog sie eine längliche Scherbe heraus, ohne sich um das Blut zu kümmern, das von ihrem Finger tropfte.
»Aber das ist …« Luca klang zutiefst enttäuscht.
»Das war einmal ein Delfin aus grünem Glas. Der erste, den ich selbst geblasen habe.«
»Du kannst Glas blasen?«, fragte er überrascht. »Davon hast du bisher nichts erzählt!«
»Es gibt da so noch einiges, was du nicht von mir weißt«, sagte Milla und ärgerte sich, dass sich ihre Antwort so kindlich und schnippisch anhörte. »Mein Vater hat es mir beigebracht. Das und vieles andere. Der Delfin war mein Dank an ihn.«
»Er hatte ihn hier vergraben?« Luca fiel auf die Knie und begann in der Erde zu wühlen, dass die trockenen Krumen in alle Richtungen flogen.
»Da ist noch etwas!«, rief er. »Es fühlt sich groß an. Und irgendwie mürbe …«
Plötzlich stieß jemand ihn grob zur Seite.
»Was um Santo Marco willen macht ihr hier?«
Hinter ihnen erhob sich die massige Statur von Domenico, gefolgt von zwei weiteren Männern. Milla erkannte sie sofort. Das waren die Typen, die Ysa zunächst an der Mole und später im ippocampo bedrängt hatten! Sogar ihre Namen fielen ihr wieder ein – Federico und Paolo.
»Ich musste etwas unbedingt wiederhaben«, sagte sie rasch. »Ein Geschenk, das ich meinem Vater gemacht hatte.«
»Und dafür schleichst du dich wie eine Diebin auf fremden Grund?«, donnerte Federico, der ältere von beiden. »Was fällt dir ein, Mädchen? So etwas kann gefährlich ausgehen!«
»Aber es ist doch unser altes Haus …« Milla verstummte.
»Und wen haben wir hier?« Paolo, jünger und kräftiger, wollte Luca packen. Doch er fasste ins Leere, denn der war blitzschnell ausgewichen.
»Bin nur der Junge für die Küchenabfälle«, sagte Luca mit gesenktem Kopf. »Hab sie hergerudert. Nichts weiter.«
Verblüfft starrte Milla ihn an.
Was hatte er mit seiner Stimme angestellt? So träge und schwerfällig hatte sie Luca noch nie zuvor reden hören!
Domenico zog ihm die Kapuze herunter.
Vor Schreck stockte Milla der Atem. Jetzt würden sie das blaue Licht sehen, Lucas Lagunenaugen, sein adliges Profil – und alles wissen!
Doch nichts von dem geschah.
Luca wirkte plötzlich gedrungener, wie gebeugt unter einer unsichtbaren Last. Die Lider hingen schwer herunter, sogar sein Gesicht schien bäuerlich breit.
Wie konnte das sein? Und was ging Seltsames in ihr vor?
Die vor ihr standen und sie ausfragten, waren Feuerleute, ihr Volk, zu dem sie gehörte, seitdem sie atmete. Sie war eine von ihnen, daran hatte sie niemals gezweifelt. Doch in diesem Moment empfand Milla sie wie Gegner, ja sogar Feinde.
Luca dagegen war für sie plötzlich wie ein Verbündeter. Jemand, der ihr Herz berührte.
»Tut mir leid«, murmelte Milla verwirrt, während Federico ihr die Scherbe aus der Hand riss, bevor er sie kopfschüttelnd an Paolo weiterreichte. »Er hat sich zunächst geweigert, aber dann hab ich ihn so lang bekniet, bis er schließlich nachgegeben hat. Mein Vater ist doch schon so lange fort. Da wollte ich zumindest ein Andenken an ihn haben …« Ihre Augen wurden feucht.
Wenigstens das brachte sie auf Anhieb zustande!
»Vermodertes Leder«, sagte Domenico, nachdem er es eingehend untersucht hatte. »Ein stattliches Stück, in dem womöglich etwas eingewickelt war. Es muss schon eine ganze Weile unter der Erde liegen.« Er schenkte den beiden anderen Männern einen finsteren Blick »Habt ihr nicht Stein und Bein geschworen, überall gründlich nachgesehen zu haben?«
Sie zuckten die Achseln, aber ihre Gesichter waren verzerrt, und es war nicht zu übersehen, wie sehr der Rüffel sie verärgert hatte.
»Dann wisst ihr ja, was jetzt zu tun ist.« So ungehalten hatte Milla den sonst stets freundlichen Glasbläser noch nie erlebt. »Ihr werdet alles noch einmal umgraben. Und wenn ihr dafür bis zum Meeresgrund buddeln müsst!«
»Hat Ysa dich geschickt?« Federico schien sich als Erster wieder halbwegs zu fassen.
»Nein«, rief Milla. »Sie ahnt nicht einmal, dass ich hier bin.«
Doch keiner der Feuerleute schien ihr zu glauben.
»Sie sollte besser auf dich aufpassen«, sagte Paolo. »Hat Leandro ihr das nicht beigebracht?«
»Deine Tante treibt ein gefährliches Spiel«, knurrte Federico. »Ein Spiel mit Konsequenzen. Haben wir Ysa nicht oft genug gewarnt?«
In Milla krampfte sich alles zusammen.
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