Feuer und Glas - Der Pakt
einschließen müssen?
Millas Kehle fühlte sich auf einmal ganz kratzig an, doch sie würde nicht aufgeben. Nicht schon jetzt!
Sie starrte weiter hinunter, auf der Suche nach irgendeiner Idee, wie sie sich befreien könnte. Nach einer Weile erblickte sie Cassianos eisgrauen Schopf. Und wenn er sie für verrückt halten würde – er war ihre einzige Chance!
»Messèr Cassiano«, rief sie und begann den Kerzenleuchter wie eine Laterne zu schwenken. »Ich brauche Eure Hilfe!«
Sein Kopf flog in den Nacken.
»Was schreist du so ungezogen herum?«, schnauzte er zurück. »Ich brauche ordentliche Mieter und keine, die andere belästigen!«
»Mir ist ein Missgeschick geschehen.« Milla nahm ihren lieblichsten Tonfall an. »Ich bin eingesperrt. Aber ich muss doch in die Taverne!«
»Eingesperrt haben sie dich? Dann wird es dafür auch triftige Gründe geben!«
»Ihr irrt Euch«, rief Milla überfreundlich, obwohl sie ihm am liebsten kräftig gegen das Schienbein getreten hätte. »Ein Versehen, wie ich schon sagte. Bitte kommt herauf und lasst mich raus.« Sie wusste, dass er die Schlüssel immer bei sich trug. Womit könnte sie ihn noch locken? Sie überlegte fieberhaft, und auf einmal wusste sie es! »Ich muss ihnen doch ausrichten, wie dringend Ihr auf Euer Geld wartet …«
»Ich komme«, polterte er. »Aber denkt bloß nicht, dass ich mich von euch Weibern zum Narren halten lasse!«
Eine kleine Ewigkeit später drehte sich der Schlüssel im Schloss. Die Tür sprang auf.
»Wie soll ich Euch nur danken?« Milla drückte sich an ihm vorbei, bevor er es sich noch einmal anders überlegen konnte. »Jetzt wird alles gut!«
Die Treppe hinunter nahm sie im Laufschritt, schoss dann aus dem Haus, ohne nach links oder rechts zu blicken, und rannte quer durch San Polo, bis sie wieder an dem Kanal angelangt war, der Dorsoduro von ihrem sestiere trennte.
Jetzt erst prüfte sie, ob sie auch wirklich allein war.
Niemand war ihr gefolgt, auch nicht Marco, wie sie mit gewisser Befriedigung feststellte. Sollte der Admiral ihn doch herunterputzen, das gönnte sie ihm von ganzem Herzen. Milla Cessi würde es immer wieder schaffen, Leuten wie ihm ein Schnippchen zu schlagen!
Milla japste nach Luft. Ihr war glühend heiß, obwohl die Frische der Nacht bereits zu spüren war. Ungeduldig trat sie von einem Bein auf das andere. Das Wasser vor ihr war dunkel und glatt.
Wollte sich denn gar keine Fährgondel zeigen?
Sie tastete nach dem Brief, den sie unter ihr Mieder geschoben hatte. Ihn so nah an ihrem Herzen zu wissen, schenkte ihr ein wenig Sicherheit, auch wenn sie noch immer keine Gewissheit hatte, was er zu bedeuten hatte.
Endlich hörte sie vertraute Geräusche – Holz, das ins Wasser fuhr und wieder herausgezogen wurde.
»Ich muss nach drüben«, rief sie dem Gondoliere zu, der ihr aus der Dunkelheit entgegenkam.
Er schaute sich um, als warte er auf weitere Passagiere.
»Beeil dich!«, setzte Milla hinzu. »Es ist sehr wichtig!«
»Das klingt ja, als ginge es um Leben und Tod«, sagte er lachend und begann loszurudern.
Kaum hatten sie das andere Ufer erreicht, sprang Milla schon hinaus und lief los.
Es war ein seltsames Gefühl, erneut den Weg zurückzulegen, den sie heute schon einmal gegangen war, bevor sie sie überwältigt und weggeschleppt hatten. Ständig glaubte sie etwas hinter sich zu hören – Knacksen, das Knirschen von Kieseln, unterdrücktes Keuchen, als schleiche jemand hinter ihr her.
Ein Schatten? Jemand, den der Admiral geschickt hatte? Marco?
Doch wann immer sie sich umdrehte, um ihrem Verfolger ins Auge zu schauen, war da nichts als Nacht.
Was hätte sie jetzt für ein Öllicht gegeben, um sich besser zu orientieren! Stattdessen blieb ihr nur, sich auf ihre Erinnerungen zu verlassen. Trotzdem wählte sie zweimal die falsche Abzweigung und musste ein großes Stück zurückgehen und die Richtung wechseln, bis sie schließlich sicher war, vor Marins Werft zu stehen.
Niemand war zu sehen, was nichts hieß, wie sich Milla sagte. Sie tastete sich am Zaun entlang, bis sie erneut auf die kleine Tür stieß, die sie schon vormittags geöffnet hatte.
Jetzt jedoch war sie verschlossen.
Milla schaute sich abermals um, raffte ihre Röcke und stieg darüber. Die uralte Spitze des Unterrocks blieb hängen – sie hörte, wie sie riss, doch darum konnte sie sich jetzt nicht kümmern.
Sie lief hinunter zum Wasser.
Da lagen sie – die Prachtgondeln, die für den großen Festtag bestimmt waren! Am
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