Feuer Und Stein
Weile stießen wir auf ein Stück Moorland, wo wir Seite an Seite laufen konnten.
»Was ist mit Horrocks?« fragte ich plötzlich. Als Jamie die Stadt Lag Cruime genannt hatte, war mir der englische Deserteur eingefallen, der möglicherweise Neuigkeiten bringen würde. »Du solltest dich doch in Lag Cruime mit ihm treffen, nicht?«
Jamie nickte. »Ja. Aber nun, da Randall und die Wache in dieser Richtung unterwegs sind, kann ich nicht nach Lag Cruime. Zu gefährlich.«
»Könnte jemand für dich gehen? Vertraust du jemandem genug dafür?«
Jamie sah mich an und lächelte. »Am ehesten dir. Nachdem du mich letzte Nacht nicht getötet hast, glaube ich doch, daß du vertrauenswürdig bist. Aber ich fürchte, du könntest nicht alleine nach Lag Cruime. Nötigenfalls werde ich wohl Murtagh schicken.«
»Du vertraust Murtagh?« fragte ich neugierig. Ich hegte keine allzu freundlichen Gefühle für diesen abgerissenen kleinen Mann, da er mehr oder weniger für mein gegenwärtiges Dilemma verantwortlich war - er hatte mich entführt. Trotzdem bestand zwischen Jamie und ihm offenbar eine Art Freundschaft.
»Gewiß.« Jamie blickte mich überrascht an. »Murtagh kennt mich seit meiner Geburt. Er ist ein Cousin meines Vaters. Sein Vater…«
Ich fiel Jamie ins Wort. »Du meinst, er ist ein Fraser«, sagte ich. »Ich dachte, er sei ein MacKenzie. Er war bei Dougals Leuten, als ich dir begegnet bin.«
Jamie nickte. »Aye. Als ich beschlossen habe, von Frankreich überzusetzen, habe ich Murtagh eine Botschaft zukommen lassen und ihn gebeten, an der Küste mit mir zusammenzutreffen.« Jamie lächelte ironisch. »Ich wußte ja nicht, ob Dougal der Mann war, der versucht hatte, mich zu töten. Und so behagte mir die Vorstellung, alleine mehreren MacKenzies zu begegnen, nicht sonderlich. Ich wollte nicht als Leiche in der Brandung vor Skye enden.«
»Ich verstehe. Dougal ist also nicht der einzige, der gern Zeugen hat.«
Jamie nickte. »Zeugen sind etwas sehr Nützliches.«
Jenseits des Moorlands erstreckte sich felsiges Terrain, zerfressen von Löchern und Rinnen - Spuren längst verschwundener Gletscher. Regenwasser füllte die tieferen Gruben; Disteln, Rainfarn und Mädesüß umwucherten diese kleinen stillen Tümpel.
Wir setzten uns an einen dieser Tümpel, um unser aus Brot und Käse bestehendes Frühstück zu uns zu nehmen. Hier gab es Vögel; Schwalben schossen niedrig über das Wasser hin und tranken; am Ufer bohrten Regenpfeifer und Brachvögel auf der Suche nach Insekten ihre langen Schnäbel in die schlammige Erde.
Ich warf Brotkrumen in den Matsch. Ein Brachvogel beäugte mißtrauisch einen, und während er sich noch zu entschließen versuchte, schnappte ihm eine flinke Schwalbe das Brot vor dem
Schnabel weg. Der Brachvogel plusterte sich auf und grub dann eifrig weiter.
Jamie wies mich auf einen Regenpfeifer in unserer Nähe hin, der Rufe ausstieß und einen - scheinbar gebrochenen - Flügel nachzog.
»Der muß hier ein Nest haben«, sagte ich.
»Ja, da drüben.« Jamie mußte mehrmals darauf deuten, bis ich es endlich ausmachte - eine flache, fast ungeschützte Vertiefung. Die vier getüpfelten Eier ähnelten dem mit Blättern übersäten Ufer so sehr, daß ich das Nest, als ich blinzelte, wieder aus den Augen verlor.
Jamie nahm einen Stock und stocherte behutsam in dem Nest herum. Der Regenpfeifer rannte aufgeregt rufend näher. Jamie kauerte fast reglos auf dem Boden. Mit einer blitzschnellen Bewegung ergriff er den Vogel, der jäh verstummte.
Er sprach gälisch mit dem Tier, während er mit einem Finger über das weiche, gesprenkelte Gefieder strich. Der Vogel duckte sich und rührte sich nicht; selbst die Lichtreflexe in den runden schwarzen Augen schienen erstarrt.
Jamie setzte den Regenpfeifer vorsichtig auf den Boden, aber er bewegte sich nicht fort, bis Jamie noch ein paar Worte sprach und mit der Hand hin und her fuchtelte. Jetzt erst schoß der Vogel davon. Jamie beobachete, wie er verschwand, und bekreuzigte sich.
»Warum hast du das getan?« fragte ich neugierig.
»Was?« Jamie war einen Moment völlig verwirrt; ich glaube, er hatte vergessen, daß ich da war.
»Du hast ein Kreuz geschlagen, als der Vogel fortgeflogen ist, und ich habe mir überlegt, warum.«
Jamie zuckte ein wenig verlegen die Achseln.
»Ach, das ist eine alte Geschichte. Warum Regenpfeifer so rufen, warum sie klagend um ihre Nester rennen.« Jamie deutete ans andere Ufer des Teiches, wo ein zweiter Regenpfeifer
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