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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Meere des Eozäns. Die glatte Haut war, abgesehen von einem leuchtendgrünen Streifen unter dem Kiefer, dunkelblau. Und die seltsamen pupillenlosen Augen strahlten in dunklem Bernsteingelb. Wunderschön.
    Und so völlig anders als die kleine, schlammfarbene Nachbildung, die das Diorama im vierten Stock des British Museum zierte.
    Plötzlich öffneten sich die klappenartigen Nüstern und stießen zischend die Luft aus; dann erstarrte das Geschöpf und versank; ein Wasserwirbel war das einzige, was noch von seinem Erscheinen kündete.
    Ich hatte mich erhoben, als es erschien. Unwillkürlich mußte ich näher getreten sein, um es zu beobachten, denn ich fand mich auf einer der Steinplatten wieder, die ins Wasser ragten. Die Wellen glätteten sich, und bald lag der Loch wieder wie ein Spiegel da.
    Ich verharrte einen Moment und blickte über seine unergründlichen Tiefen. »Adieu«, sagte ich schließlich zu dem leeren Wasser. Ich schüttelte mich und ging zum Ufer zurück.
    Oben auf der Böschung stand ein Mann. Erst erschrak ich, dann erkannte ich ihn: einer von den Fuhrleuten unserer Gruppe. Sein Name war Peter, und der Eimer in seiner Hand verriet mir, warum er hier war. Ich wollte ihn fragen, ob er die Kreatur gesehen hatte, doch sein Gesichtsausdruck genügte. Peter war weißer als die Gänseblümchen zu seinen Füßen, und Schweißperlen sickerten in seinen Bart. Er verdrehte die Augen wie ein Pferd in Panik, und seine Hand zitterte dermaßen, daß der Eimer gegen sein Bein schlug.
    »Es ist ja in Ordnung«, sagte ich im Näherkommen. »Es ist weg.«
    Doch meine Worte schienen ihn nicht zu beruhigen. Er stellte den Eimer ab, sank vor mir auf die Knie und bekreuzigte sich.
    »Gnade, edle Frau, Gnade«, stammelte er. Dann warf er sich zu meiner größten Verlegenheit auf den Bauch und klammerte sich am Saum meines Kleides fest.
    »Sei nicht albern«, sagte ich schroff. »Steh auf.« Ich tippte Peter mit meiner Fußspitze an, doch er zitterte nur und blieb auf dem Boden liegen wie ein flachgetretener Pilz. »Steh auf«, wiederholte ich. »Du dummer Mann, das ist doch nur…« Ich machte eine
Pause, um nachzudenken. Es würde wohl nichts helfen, wenn ich dem Burschen einen lateinischen Namen nannte.
    »Das ist doch nur ein kleines Ungeheuer«, sagte ich schließlich, faßte Peters Hand und zog ihn auf die Beine. Ich mußte den Eimer füllen, da er sich weigerte, ans Wasser zu gehen. Dann folgte er mir ins Lager und stob sofort davon, um sich um seine Maultiere zu kümmern. Im Fliehen warf er über die Schulter hinweg bange Blicke nach mir.
    Da er nicht geneigt schien, die Kreatur jemand anderem gegenüber zu erwähnen, dachte ich mir, daß vielleicht auch ich Stillschweigen bewahren sollte. Während Dougal, Jamie und Ned gebildete Männer waren, waren die übrigen zum größten Teil Analphabeten. Mutige und unbezähmbare Kämpfer, doch so abergläubisch wie Angehörige eines primitiven afrikanischen Stammes.
    Und so nahm ich schweigend mein Abendessen ein und ging zu Bett, wobei ich mir der mißtrauischen Blicke des Fuhrmanns Peter ständig bewußt war.

20
    Leere Lichtungen
    Zwei Tage nach dem Überfall wandten wir uns erneut nach Norden. Das Treffen mit Horrocks rückte näher, und Jamie wirkte zerstreut; vielleicht dachte er darüber nach, ob er von dem englischen Deserteur etwas Wichtiges erfahren würde.
    Ich hatte Hugh Munro nicht wiedergesehen, aber ich war in der Nacht zuvor aus dem Schlaf geschreckt, um festzustellen, daß Jamie verschwunden war. Ich wollte wach bleiben und auf seine Rückkehr warten, schlummerte jedoch ein, als der Mond unterging. Am Morgen schlief Jamie neben mir, und auf meiner Decke lag ein Päckchen, eingeschlagen in dünnes Papier, das mit der Schwanzfeder eines Spechts befestigt war. Ich faltete es behutsam auf und fand ein Stück Bernstein. Die eine Seite war geschliffen und poliert, und dahinter konnte ich die zarte Form einer kleinen Libelle sehen.
    Ich strich das Papier glatt. Auf der schmutzigweißen Oberfläche stand eine Nachricht, mit kleiner und überraschend eleganter Schrift geschrieben.
    »Was heißt das?« erkundigte ich mich bei Jamie. »Ich glaube, das ist Gälisch.«
    Jamie stützte sich auf den Ellbogen und warf einen Blick auf das Papier.
    »Nein. Das ist Latein. Munro war Schulmeister, ehe ihn die Türken gefangengenommen haben. Es ist ein Zitat von Catull«, sagte Jamie.
    … da mi basia mille, diende centum,
dein mille altera, dein secunda centum…
    Ein zartes

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