Feuer Und Stein
stehe lieber«, erwiderte ich würdevoll, worauf sie alle brüllten vor Lachen. Jamie schnitt sich ein Stück Käse ab und wich meinem Blick aus.
Im Laufe des Tages folgten noch ein paar gemütliche Neckereien, und jeder der Männer fand einen Vorwand, um mit geheucheltem Mitgefühl meine Kehrseite zu betatschen. Insgesamt war
es jedoch erträglich, und ich begann, wenn auch nur widerwillig, darüber nachzudenken, ob Jamie vielleicht recht gehabt hatte, obwohl ich ihn immer noch erwürgen wollte.
Da Sitzen völlig undenkbar war, beschäftigte ich mich den Vormittag über mit kleinen Verrichtungen wie Säumen und Knopfannähen, was ich mit der Begründung, ich brauchte dafür gutes Licht, am Fenster erledigen konnte. Nach dem Mittagessen, das ich im Stehen einnahm, gingen wir alle auf unsere Zimmer, um zu ruhen. Dougal hatte beschlossen, daß wir warten würden, bis es völlig dunkel war, ehe wir nach Bargrennan aufbrachen, der nächsten Station unserer Reise. Jamie folgte mir zu unserer Kammer, aber ich machte ihm die Tür vor der Nase zu. Sollte er doch auf dem Boden schlafen.
Er war in der Nacht recht taktvoll gewesen; als er fertig war, hatte er sich den Gürtel wieder umgeschnallt und den Raum wortlos verlassen. Eine Stunde später, nachdem ich das Licht gelöscht und mich niedergelegt hatte, war er wiedergekommen, jedoch so vernünftig gewesen, nicht zu mir ins Bett zu steigen. Er hatte in die Dunkelheit gestarrt, tief geseufzt, sich in sein Plaid gewickelt und auf dem Boden in der Nähe der Tür geschlummert.
Zu wütend, fassungslos und blessiert, um zu schlafen, hatte ich den größten Teil der Nacht wach gelegen und teils darüber nachgesonnen, was Jamie gesagt hatte, teils dem Wunsch widerstanden, mich aus dem Bett zu erheben und ihn dahin zu treten, wo es weh tat.
Wäre ich in der Stimmung gewesen, die Sache objektiv zu betrachten, hätte ich vielleicht zugegeben, daß er recht hatte, wenn er behauptete, ich nähme die Dinge nicht ernst genug. Allerdings lag das nicht daran, daß es dort, wo ich herkam, weniger gefährlich war. Tatsächlich war eher das Gegenteil der Fall.
Jamies Zeit war in mancher Hinsicht immer noch so unwirklich für mich wie ein Theater oder Historienspiel. Im Vergleich mit dem mechanisierten Massenkrieg, den ich kannte, erschienen mir die kleinen Gefechte, die ich bis jetzt gesehen hatte - ein paar Männer, mit Degen und Musketen bewaffnet -, eher malerisch als bedrohlich.
Ich hatte Probleme mit der Größenordnung. Ein von einer Musketenkugel hinweggeraffter Soldat war natürlich genauso tot wie einer, den ein Mörser getroffen hatte. Nur tötete ein Mörser unpersönlich,
vernichtete Dutzende von Menschen, während die Muskete von einem einzelnen abgefeuert wurde, der die Augen des Gegners, den er erschoß, sehen konnte. Und das war für meine Begriffe nicht Krieg, sondern Mord. Und doch war dies für Dougal, Jamie, Rupert, Murtagh und Ned offenbar Krieg - oder zumindest eine ernste Sache.
Und wie stand es mit den Gründen dafür? Daß man lieber den einen König gehabt hätte als den anderen? Stuarts statt Hannoveraner? Für mich waren dies kaum mehr als Namen an einer Schultafel. Was zählten sie schon, verglichen mit einem so unermeßlichen Übel wie Hitlers Drittem Reich? Es fiel wohl ins Gewicht für diejenigen, die unter diesen Königen lebten, mochten mir die Unterschiede zwischen ihnen auch banal erscheinen. Aber durfte ich das Recht zu leben, wie man wollte, als banal abtun? War der Kampf darum, sein Geschick selbst zu bestimmen, weniger wert als die Anstrengung, einem großen Übel Einhalt zu gebieten? Ich bewegte mich gereizt und rieb mir zaghaft das wunde Hinterteil. Ich funkelte Jamie an, der sich bei der Tür zusammengerollt hatte. Er amtete gleichmäßig, aber flach: vielleicht konnte auch er nicht schlafen. Geschah ihm recht.
Erst war ich geneigt gewesen, mein ganzes Mißgeschick als Melodram zu betrachten; solche Dinge passierten einfach nicht im wirklichen Leben. Ich hatte, seit ich durch den gespaltenen Stein getreten war, so manchen Schock erlebt, doch der bisher schlimmste hatte mich an jenem Nachmittag ereilt.
Jack Randall, Frank so ähnlich und gleichzeitig so entsetzlich unähnlich. Als er meine Brüste berührte, hatte das plötzlich eine Verbindung zwischen meinem alten und meinem neuen Leben hergestellt, meine beiden Existenzen mit einem Knall zusammengebracht, der einem Donnerschlag glich. Und dann war da noch Jamie: sein Gesicht, bleich vor
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