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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Es war friedlich auf der Straße - es herrschte jene absolute Ruhe, die sich einstellt, wenn man kilometerweit von anderen Leuten entfernt ist. Die Ruhe, die zu meiner Zeit, wo Maschinen den Einfluß des Menschen vergrößerten und ein einzelner soviel Krach schlagen konnte wie eine Menge, so schwer zu finden war. Hier hörte man nur das leise Rascheln von Pflanzen, den gelegentlichen Laut eines Nachtvogels und den gedämpften Hufschlag unserer Pferde.

    Das Gehen fiel mir jetzt leichter, weil sich meine verspannten Muskeln zu lockern begannen. Auch meine Gefühle entkrampften sich, während ich Jamies Geschichten lauschte.
    »Natürlich gefiel es mir nicht, geschlagen zu werden, aber wenn ich die Wahl hatte, war mir mein Vater lieber als der Schulmeister. Bei dem bekamen wir meistens Tatzen. Vater sagte, wenn er mich auf die Hand schlägt, könnte ich keine Arbeit mehr verrichten; wenn er mir dagegen den Hintern versohlte, geriete ich wenigstens nicht in Versuchung, mich zu setzen und herumzufaulenzen.
    Wir hatten für gewöhnlich jedes Jahr einen anderen Schulmeister; sie blieben nie lange. Schulmeister bekommen so wenig Lohn, daß sie immer hungrig und mager sind. Einmal hatte ich einen dicken und konnte kaum glauben, daß er ein richtiger Schulmeister war; er sah aus wie ein verkleideter Pfarrer.« Ich dachte an den kugelrunden kleinen Vater Bain und lächelte.
    »An einen erinnere ich mich besonders gut, weil er einen im Klassenzimmer mit ausgestreckter Hand vor die anderen hintreten ließ; dann hielt er einem eine Strafpredigt, und zwischen den Schlägen wurde man wieder ausführlich belehrt. Ich stand mit ausgestreckter Hand da und betete darum, daß er aufhören möge mit dem Salbadern und endlich weitermachen sollte, ehe ich all meinen Mut verlor und zu weinen anfing.«
    »Ich vermute, genau das wollte er«, sagte ich.
    »Aye«, bestätigte Jamie nüchtern. »Es dauerte aber einige Zeit, bis mir das aufging. Und dann konnte ich wie üblich den Mund nicht halten.« Er seufzte.
    »Was ist passiert?« Ich hatte inzwischen so ziemlich vergessen, wütend zu sein.
    »Nun, eines Tages war ich wieder an der Reihe - das geschah oft, weil ich nicht richtig mit der Rechten schreiben konnte und immer wieder die Linke nahm. Der Schulmeister hatte mir drei Tatzen gegeben - und fast fünf Minuten dafür gebraucht, der Hund - und predigte und predigte, ehe er mir die nächste gab: Ich sei ein dummer, fauler, halsstarriger Flegel. Meine Hand brannte böse, weil es das zweite Mal an diesem Tag war, und ich fürchtete mich, weil ich wußte, daß ich zu Hause eine furchtbare Tracht Prügel bekommen würde - das war die Regel, wenn es in der Schule Hiebe setzte, denn mein Vater hielt die Schule für wichtig -, wie auch immer, ich verlor die Beherrschung.«

    Er schaute mich an. »Ich verliere selten die Beherrschung, Sassenach, und wenn, dann bereue ich es meistens.« Eine bessere Entschuldigung würde ich wohl nicht zu hören bekommen, dachte ich.
    »Hast du es damals auch bereut?«
    »Nun, ich ballte die Fäuste, blickte finster zum Schulmeister auf - er war groß und hager, etwa zwanzig Jahre, obwohl er mir ziemlich alt vorkam - und sagte: ›Ich fürchte mich nicht vor Ihnen, und wie hart Sie mich auch schlagen, Sie werden mich nicht zum Weinen bringen!‹« Jamie holte tief Luft. »Ich nehme an, es war ein Fehler, das zu sagen, während er den Stock noch in der Hand hielt.«
    »Du brauchst nicht weiterzuerzählen«, sagte ich. »Er hat versucht, dich zu widerlegen.«
    »O ja, er hat’s versucht.« Jamie nickte. Sein Kopf zeichnete sich dunkel vor dem wolkenverhangenen Himmel ab. Bei dem Wort »versucht« klang eine gewisse Genugtuung durch.
    »Es ist ihm nicht gelungen?«
    Jamie schüttelte den Kopf. »Nein. Er konnte mich nicht zum Weinen bringen. Aber ich habe bitter bereut, daß ich den Mund nicht gehalten habe, dafür hat er gesorgt.«
    Jamie schwieg einen Moment und drehte den Kopf zu mir herum. Die Wolkendecke war aufgerissen, und der Mond schien auf die Konturen seines Gesichtes, so daß er vergoldet wirkte und wie ein Erzengel von Donatello aussah.
    »Als Dougal dir meinen Charakter beschrieb, ehe wir geheiratet haben - hat er da vielleicht erwähnt, daß ich manchmal ein bißchen störrisch bin?« Jamies Augen glitzerten; mehr Luzifer als Michael.
    Ich lachte. »Ja. Wenn ich mich recht erinnere, sagte er sogar, die Frasers seien so störrisch wie Esel, und du seist der Schlimmste. Tatsächlich«, fuhr ich trocken

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