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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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unbequem, mich über den Zaun zu legen.«
    »Dein Vater hat dich geschlagen?«
    »Ja, im allgemeinen. Der Schulmeister natürlich auch, und dann und wann Dougal oder einer der anderen Onkel, je nachdem, wo ich war und was ich ausgefressen hatte.«
    Trotz meiner Entschlossenheit, Jamie zu ignorieren, nahm mein Interesse zu.

    »Was hast du denn so ausgefressen?«
    Wieder ließ Jamie sein leises, aber ansteckendes Lachen hören.
    »Nun, an alles kann ich mich nicht erinnern. Meistens hatte ich es verdient. Ich glaube kaum, daß mich mein Vater je zu Unrecht geschlagen hat.« Jamie schritt wortlos eine Weile dahin und dachte nach.
    »Hm. Schauen wir - einmal habe ich die Hühner mit Steinen beworfen, einmal mehrere Kühe geritten und sie so aufgeregt, daß sie sich nicht mehr melken ließen, und einmal habe ich einen Kuchen aufgegessen, der für alle bestimmt war. Einmal habe ich das Dach des Taubenschlags in Brand gesetzt - ein dummer Zufall, ich habe es nicht mit Absicht getan - und meine Schulbücher verloren - das habe ich mit Absicht getan…« Jamie brach achselzuckend ab, und ich lachte wider Willen.
    »Das übliche eben. Meistens aber habe ich Prügel bezogen, weil ich den Mund zu weit aufgerissen habe.«
    Dann fiel Jamie etwas ein, über das er vor Erheiterung prustete. »Einmal hat meine Schwester Jenny einen Krug zerbrochen. Ich hatte meinen Schabernack mit ihr getrieben und sie zornig gemacht, worauf sie den Krug nach mir warf. Als mein Vater in den Raum kam und wissen wollte, wer es gewesen war, hatte sie zuviel Angst, um etwas zu sagen; sie schaute mich nur an mit großen, bangen Augen - sie hat blaue Augen wie ich, aber schönere, mit dunklen Wimpern.« Jamie zuckte erneut die Achseln. »Und so sagte ich meinem Vater, ich sei es gewesen.«
    »Das war sehr nobel von dir«, kommentierte ich ironisch. »Deine Schwester war dir sicher sehr dankbar.«
    »Zunächst ja. Nur hatte mein Vater die ganze Zeit an der offenen Tür gestanden und gesehen, was wirklich passiert war. Also bekam sie Schläge, weil sie den Krug zerbrochen hatte; und ich bekam gleich zweimal Schläge: zum einen, weil ich Jenny geärgert, und zum andern, weil ich gelogen hatte.«
    »Das ist ungerecht!« empörte ich mich.
    »Mein Vater war nicht immer freundlich, aber er war meistens gerecht«, erwiderte Jamie unbeirrbar. »Er sagte, was wahr sei, müsse wahr bleiben, und man sollte die Verantwortung für das, was man tut, übernehmen. Beides ist richtig.« Jamie warf mir einen Seitenblick zu.
    »Aber er sagte auch, es sei gutherzig von mir, die Schuld auf
mich zu nehmen, und so müsse er mich zwar bestrafen, aber ich dürfte wählen: eine Tracht Prügel oder ohne Abendessen zu Bett.« Jamie schüttelte lachend den Kopf. »Vater kannte mich recht gut. Ich entschied mich natürlich für die Tracht Prügel.«
    »Du bist die Gefräßigkeit in Person, Jamie«, sagte ich.
    »Aye«, bestätigte er gleichmütig, »war ich schon immer. Du auch, Vielfraß«, sagte er zu seinem Pferd und zog es von den verlockenden Grasbüscheln am Straßenrand fort.
    Dann sprach er weiter. »Ja, Vater war gerecht. Und rücksichtsvoll, obwohl ich das damals nicht zu schätzen wußte. Er ließ mich nie auf meine Prügel warten; wenn ich etwas ausgefressen hatte, wurde ich sofort bestraft - oder sobald er es herausfand. Er stellte immer sicher, daß ich wußte, wofür ich versohlt wurde, und wenn ich darüber disputieren wollte, so durfte ich das.«
    Darauf willst du also hinaus, du raffinierter Schlawiner, dachte ich. Ich bezweifelte zwar, daß Jamie mich mit seinem Charme von der Absicht abbringen konnte, ihm bei der nächstbesten Gelegenheit den Bauch aufzuschlitzen, aber er konnte es gerne versuchen.
    »Hast du dich bei einem solchen Disput je durchgesetzt?« erkundigte ich mich.
    »Nein. Der Fall war meistens klar, und der Angeklagte wurde durch seine eigene Aussage überführt. Aber zweimal konnte ich eine etwas mildere Strafe erwirken.« Jamie rieb sich die Nase.
    »Einmal sagte ich ihm, seinen Sohn zu schlagen sei in meinen Augen nichts als eine barbarische Methode, den eigenen Willen durchzusetzen. Worauf er erwiderte, ich hätte ungefähr soviel Verstand wie der Pfahl, neben dem ich stehe. Er sagte, die Eltern zu achten, sei einer der Grundsteine einer zivilisierten Gesellschaft, und bis ich das lernte, sollte ich mich besser daran gewöhnen, meine Zehen zu betrachten, während mir mein barbarischer Vater den Hintern versohlte.«
    Diesmal lachte ich mit Jamie.

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