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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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konnte, und …« Ich redete schneller und schneller, um mit dem Klang meiner eigenen Stimme den Schwindel in Zaum zu halten.
    »Alles, was ich dir je über mich gesagt habe, ist wahr«, sagte ich und nickte wie verrückt, als wollte ich jeden Zweifel ausräumen. »Alles. Ich habe keine Verwandten, ich habe keine Geschichte, weil es mich überhaupt noch nicht gibt. Soll ich dir sagen, wann ich geboren wurde?«
    Ich schaute ihm direkt in die Augen. Ich wußte, daß meine Haare
wild zerzaust waren und meine Augen weit aufgerissen, aber es war mir egal. »Am zwanzigsten Oktober im Jahr des Herrn neunzehnhundertundachtzehn. Hörst du mich?« Er starrte mich unverwandt an, als würde er kein Wort von dem erfassen, was ich sagte. »Neunzehnhundertachtzehn habe ich gesagt! In fast zweihundert Jahren! Hast du mich gehört?«
    Mittlerweile schrie ich, und er nickte langsam.
    »Habe ich«, sagte er leise.
    »Ja, hast du!« brach es aus mir heraus. »Und du glaubst, daß ich wahnsinnig bin. Nicht wahr? Gib es zu! Das ist es, was du glaubst. Du mußt das denken, denn wie könntest du dir sonst erklären, was mit mir los ist? Du kannst mir nicht glauben, du kannst es nicht wagen. O Jamie …« Ich fühlte, wie sich mein Gesicht verzog. Die ganze Zeit hatte ich die Wahrheit verheimlichen müssen, und jetzt, wo ich erkannte, daß ich Jamie, meinem geliebten Ehemann, so sehr vertrauen konnte, um ihm alles zu erzählen, jetzt wurde mir klar, daß er mir einfach nicht glauben konnte .
    »Es waren die Steine auf dem Feenhügel, der Steinkreis. Da bin ich durchgegangen.« Ich rang nach Luft, schluchzte auf, verhedderte mich zunehmend. »Es war einmal, genaugenommen vor zweihundert Jahren. Es war immer vor zweihundert Jahren in den Märchen … Aber in den Geschichten kommen die Leute zurück. Ich konnte nicht zurück.« Ich sank auf einen Stein und stützte den Kopf in die Hände. Es war lange still im Wald. Lang genug, daß die kleinen Nachtvögel wieder Mut faßten, einander mit dünnem Zirpen zuriefen und die Jagd nach den letzten Insekten des Sommers fortsetzten.
    Ich schaute auf. Ist er vielleicht einfach fortgegangen, weil er meine Offenbarungen nicht ertragen konnte? Aber da saß er immer noch, die Hände auf den Knien, den Kopf gebeugt, als würde er nachdenken.
    Die Härchen auf seinen Armen glänzten kupfern, und ich merkte, daß sie sich sträubten wie das Nackenfell eines Hundes. Er hatte Angst vor mir.
    »Jamie«, sagte ich, überwältigt von einem Gefühl absoluter Einsamkeit. »O Jamie.«
    Ich rollte mich zu einem Ball zusammen, in dessen Mittelpunkt mein Schmerz war. Alles wurde mir gleichgültig, und ich schluchzte mir die Seele aus dem Leib.

    Er legte mir seine warmen Hände auf die Schultern, und ich blickte in sein Gesicht. Durch die Tränen hindurch sah ich, daß es denselben Ausdruck trug wie im Kampf, wenn äußerste Anspannung ruhiger Gewißheit Platz gemacht hatte.
    »Ich glaube dir«, sagte er fest. »Ich verstehe kein Wort - noch nicht -, aber ich glaube dir, Claire, ich glaube dir! Die Wahrheit ist zwischen uns, zwischen dir und mir, und was du auch sagst, ich glaube es dir.« Er schüttelte mich sanft.
    »Es kann sein, was es will. Du hast es mir gesagt. Das reicht erst einmal. Sei ruhig, mo duinne . Leg den Kopf in meinen Schoß und ruh dich aus. Später erzählst du mir dann den Rest. Und ich werde dir glauben.«
    Ich schluchzte immer noch, unfähig zu begreifen, was er mir sagte. Ich wollte mich losmachen, aber er drückte mich fest an sich und sagte wieder und wieder: »Ich glaube dir.«
    Schließlich beruhigte ich mich aus schierer Erschöpfung und schaute zu ihm auf. »Aber du kannst mir nicht glauben.«
    Er lächelte mich an. Sein Mund zitterte leicht, aber er lächelte.
    »Sag du mir nicht, was ich nicht tun kann, Sassenach.« Nach einer Pause fragte er plötzlich: »Wie alt bist du eigentlich? Ich habe dich nie danach gefragt.«
    Die Frage schien so absurd, daß ich eine Weile nachdenken mußte.
    »Ich bin siebenundzwanzig … oder vielleicht achtundzwanzig.« Das verschlug ihm im ersten Augenblick die Sprache. Mit achtundzwanzig war eine Frau in dieser Zeit schon beinahe alt.
    »Oh«, sagte er und atmete tief durch. »Ich dachte, du wärst ungefähr so alt wie ich - oder jünger.«
    Er rührte sich nicht, aber dann schaute er auf mich herab und lächelte mich matt an. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Sassenach.«
    Ich war völlig überrascht und schaute ihn verständnislos an.

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