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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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fröhlicher, oder zumindest ruhiger, so als hätte er eine schwere Entscheidung getroffen. Er versprach
mir zum Abendessen heißen Tee, was in der morgendlichen Kälte ein schwacher Trost war. Schläfrig klopfte ich die Kiefernnadeln und kleinen Spinnen von meinem Rock und folgte ihm zur Straße. Der schmale Weg, der sich um die hervorstehenden Felsen wand, verlor sich bald in der Ferne.
    Während ich träumerisch die milde Wärme der aufsteigenden Sonne genoß, hatte ich kaum auf die Umgebung geachtet. Plötzlich jedoch fiel mein Blick auf eine wohlbekannte Felsformation. Das riß mich schlagartig aus meinem Dämmerzustand. Ich wußte, wo wir waren und warum.
    »Jamie!« schrie ich auf.
    Er drehte sich um. »Du wußtest es nicht?« fragte er überrascht.
    »Daß wir hierher reiten? Woher denn?« Mir wurde flau im Magen. Der Craigh na Dun war nicht mehr als eine Meile entfernt; ich sah die Silhouette des Bergrückens durch die letzten morgendlichen Nebelstreifen.
    Ich schluckte schwer. Sechs Monate lang hatte ich versucht, hierher zu gelangen. Jetzt, wo ich endlich da war, wäre mir jeder andere Ort lieber gewesen. Der Steinkreis war von unten nicht zu sehen, aber es schien, als ginge ein Schrecken von ihm aus, der mich in seinen Bann zog.
    Weit unter dem Gipfel wurde der Weg für Donas zu unsicher, und so saßen wir ab, banden ihn an eine Kiefer und gingen zu Fuß weiter.
    Ich keuchte und schwitzte, als wir oben ankamen. Jamie dagegen wirkte nicht im mindesten erschöpft. Es war ruhig hier oben, nur der Wind pfiff leise über die Felsen. Schwalben schossen an uns vorbei, ließen sich auf der Jagd nach Insekten vom Luftstrom nach oben tragen und sausten im Sturzflug wieder herab.
    Jamie half mir die letzte Stufe hoch, die zu der breiten flachen Granitplatte führte, auf der der gespaltene Stein stand. Er zog mich dicht an sich heran und schaute mich aufmerksam an, als wollte er sich meine Gesichtszüge einprägen. »Warum?« begann ich, nach Atem ringend.
    »Du hast diesen Ort gemeint, oder?«
    »Ja.« Ich starrte wie hypnotisiert auf den Steinkreis. »Er sieht genauso aus.«
    Jamie betrat mit mir den Kreis. Er faßte mich am Arm und ging mit festem Schritt auf den gespaltenen Stein zu.

    »Ist es dieser hier?« fragte er.
    »Ja.« Ich versuchte mich loszumachen. »Vorsicht! Komm ihm nicht zu nahe!« Er warf mir einen skeptischen Blick zu. Vielleicht war sein Mißtrauen berechtigt. Ich zweifelte plötzlich an der Wahrheit meiner eigenen Geschichte.
    »Ich - ich weiß nicht, wie es passiert ist. Vielleicht hat sich das … was immer es ist… hinter mir geschlossen. Vielleicht geschieht das nur an bestimmten Tagen im Jahr. Damals war es kurz vor dem Maifest.«
    Jamie schaute zur Sonne hinauf, einer flachen Scheibe, die hinter einem dünnen Wolkenschleier hoch am Himmel stand.
    »Es ist jetzt fast Allerheiligen. Das wäre doch ein passender Zeitpunkt, findest du nicht?« Unwillkürlich überfiel ihn ein Schauer. »Als du … durchgingst, was hast du getan?«
    Ich versuchte mich zu erinnern. Mir war eiskalt, und ich stekkte die Hände unter die Achseln.
    »Ich bin im Kreis herumgegangen und habe mich ein bißchen umgeschaut. Und dann kam ich in die Nähe des gespaltenen Steines und hörte ein Summen wie von Bienen -«
    Es klang immer noch wie ein Bienenschwarm. Ich wich zurück wie vor einer Klapperschlange.
    »Es ist immer noch da«, schrie ich in Panik und warf meine Arme um Jamie, aber er löste sich von mir und schob mich entschlossen vor den Stein. Sein Gesicht war weiß.
    »Und dann?« Der Wind pfiff scharf um meine Ohren, aber seine Stimme war noch schärfer.
    »Ich legte meine Hand auf den Stein.«
    »Dann tu es.« Als ich nicht reagierte, drängte er mich noch näher an den Stein, nahm meine Hand und legte sie fest auf die rauhe Oberfläche.
    Chaos erfaßte mich - ein unwiderstehlicher Sog.
    Endlich hörte das Licht auf, hinter meinen Augenlidern zu tanzen, und mein eigener schriller Schrei verklang in meinen Ohren. Aber ein anderes sich ständig wiederholendes Geräusch war zu vernehmen: Jamie, der meinen Namen rief.
    Zu elend, um mich aufzusetzen oder die Augen zu öffnen, winkte ich nur mit der Hand, um ihn wissen zu lassen, daß ich noch am Leben war.
    »Ich bin noch da«, sagte ich.

    »O mein Gott, Claire!« Er preßte mich an sich und hielt mich fest. »Ich dachte, du wärst tot. Irgendwie … irgendwie schienst du zu verschwinden. Du hast entsetzlich ausgesehen, als würdest du dich zu Tode fürchten.

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