Feuer Und Stein
Brust.
»Kannst du deinem Onkel sagen, wie alt du bist, mein Süßer?« Sie versuchte ihre Stimme in ein Gurren zu verwandeln, konnte aber den stählernen Ton nicht daraus verbannen. Der Junge hörte es und vergrub das Gesicht in der Halsbeuge seiner Mutter. Sie klopfte ihm mechanisch auf den Rücken, während sie ihren Bruder mit lodernden Augen musterte.
»Da er es dir nicht sagen will, werde ich es tun. Er ist am letzten Augusttag zwei geworden. Und falls du intelligent genug bist, um rechnen zu können - was ich mir erlaube zu bezweifeln -, dann wirst du feststellen, daß er sechs Monate nach dem Zeitpunkt empfangen wurde, an dem ich diesen Randall zum letzten Mal gesehen habe, und das war, als er vor unserer eigenen Haustüre mit dem Säbel auf meinen Bruder eingedroschen hat.«
»Ach, so soll das gewesen sein?« zischte Jamie seine Schwester an. »Da habe ich aber etwas anderes gehört. Es ist allgemein bekannt, daß du dir den Mann ins Bett geholt hast, nicht nur jenes eine Mal, sondern als deinen Liebhaber. Dieses Kind ist seins.« Er schaute verächtlich auf den Kleinen, der einen verstohlenen Blick auf diesen lärmenden, fremden Riesen warf. »Ich will dir glauben, wenn du behauptest, daß der neue Bastard in deinem Bauch nicht von ihm ist; Randall war bis zum März dieses Jahres in Frankreich. Du bist also nicht nur eine Hure, sondern noch dazu eine, die nicht besonders wählerisch ist. Und von wem ist die neueste Brut, wenn ich fragen darf?«
Der junge Mann neben mir räusperte sich und trat nach vorne.
»Von mir«, sagte er gelassen. »Und dieser hier auch.« Er nahm den kleinen Jungen vom Arm seiner wutschnaubenden Frau. »Manche behaupten, er sähe mir ähnlich.«
Tatsächlich war der Kleine dem Großen wie aus dem Gesicht geschnitten, wenn man einmal von den runden Backen des einen und der schiefen Nase des anderen absah. Die gleiche hohe Stirn, die gleichen schmalen Lippen, die gleichen samtbraunen Augen. Jamie starrte die beiden an und sah aus, als hätte er einen Schlag auf den Hinterkopf bekommen. Er schloß den Mund und schluckte, offenbar ratlos, was er als nächstes tun sollte.
»Ian«, brachte er schließlich kleinlaut hervor. »Ihr seid also verheiratet?«
»O ja«, rief sein Schwager gutgelaunt aus. »Wäre ja sonst nicht das richtige, oder?«
»So, so«, murmelte Jamie vor sich hin. Er räusperte sich und nickte seinem neuentdeckten Schwager zu. »Es ist sehr freundlich von dir, Ian. Ich meine, daß du sie genommen hast. Wirklich äußerst großzügig.«
Da mir schien, daß Jamie jetzt etwas moralische Unterstützung brauchen könnte, ging ich zu ihm und berührte seinen Arm. Seine Schwester musterte mich kritisch, sagte aber nichts. Jamie schien überrascht, mich hier zu sehen, als hätte er meine Existenz völlig vergessen. Und das wäre ja auch nicht erstaunlich, dachte ich. Aber er schien doch erleichtert und zog mich an der Hand nach vorne.
»Meine Frau«, sagte er etwas unvermittelt. Er nickte zu Jenny und Ian. »Meine Schwester und ihr …«
Ian und ich tauschten gerade ein höfliches Lächeln aus, als Jenny, die in dieser Situation keinen Sinn für Etikette hatte, ihm ins Wort fiel.
»Was soll das heißen - großzügig?« Sie gab ihrem Bruder mit einer verächtlichen Geste zu verstehen, was sie von ihm dachte, und wandte sich an Ian. »Er meint, es war großzügig von dir, mich trotz meiner Entehrung zu heiraten!« Sie schnaubte, »so ein schwülstiger Unsinn!«
»Entehrung?« fragte Ian erstaunt, und Jamie lehnte sich plötzlich vor und packte seine Schwester fest am Oberarm.
»Hast du ihm von Randall etwa nichts gesagt?« Er schien aufrichtig schockiert zu sein. »Jenny, wie konntest du das nur tun?«
Nur Ians Hand auf Jennys anderem Arm hielt sie davon ab, ihrem Bruder an die Kehle zu springen. Ian setzte ihr Klein Jamie auf den Arm, den sie halten mußte, wenn er nicht herunterfallen sollte. Dann legte Ian einen Arm um Jamies Schultern und führte ihn behutsam vom Kampfplatz fort.
»Es ist nicht gerade ein Gesprächsthema für den Salon«, sagte er abwehrend, »aber es interessiert dich vielleicht, daß deine Schwester in der Hochzeitsnacht noch Jungfrau war. Ich muß es schließlich wissen.«
Jennys Zorn war jetzt ziemlich gleichmäßig auf ihren Bruder und ihren Mann verteilt.
»Wie kannst du es wagen, so etwas zu sagen, Ian Murray? Meine Hochzeitsnacht geht niemanden etwas an außer dich und
mich - und ganz gewiß nicht ihn ! Fehlt nur noch, daß du ihm
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