Feuer Und Stein
Aufprall zurück, und auf seiner Backe war der Abdruck ihrer Finger zu sehen. Langsam hob er die Hand an
die Wange und starrte seine Schwester an. Ihre Augen funkelten gefährlich, und ihr Busen wogte. Wie ein Sturzbach kamen die Worte zwischen ihren Zähnen hervor.
»Kröte, hast du gesagt? Du elender Feigling, du! Läßt mich hier von einem Tag auf den anderen allein, ohne ein einziges Wort zu sagen, so daß ich glauben muß, du wärst tot oder im Gefängnis, und dann schneist du hier eines Tages herein - eine Frau an der Hand -, hockst dich in mein Wohnzimmer und nennst mich Kröte und Hure -«
»Eine Hure habe ich dich nicht genannt, aber ich hätte es tun sollen! Wie kannst du -«
Trotz ihrer unterschiedlichen Größe standen Bruder und Schwester beinahe Nase an Nase und zischten sich mit gedämpfter Lautstärke an, damit ihre wüsten Beschimpfungen nicht durch das ganze Haus hallten. Angesichts der neugierigen Blicke diverser äußerst gespannter Zuhörer im Flur, in der Küche und vor den Fenstern hätten sie sich die Mühe sparen können. Die Heimkehr des Herrn von Broch Tuarach gestaltete sich wirklich sehr interessant.
Ich hielt es für das beste, wenn die beiden die Sache ohne mich auskämpften, und entfernte mich leise. In der Diele nickte ich der älteren Frau zu, die sich dort emsig zu schaffen machte, und ging auf den Hof hinaus. Dort setzte ich mich in einer Laube auf eine Bank und schaute mich um.
In einem kleinen Garten blühten die letzten Sommerrosen. Dahinter befand sich das Taubenhaus.
Der Stall und der Schuppen für das Grünfutter mußten auf der anderen Seite des Hauses liegen, genau wie die Getreidetenne, der Hühnerstall, der Gemüsegarten und die unbenutzte Kapelle. Aber ich sah auf dieser Seite noch ein kleines Steingebäude, dessen Zweck mir unbekannt war. Der leichte Herbstwind trug mir den intensiven Duft von Hopfen und Hefe zu; es handelte sich also um das Brauhaus.
Hinter dem Tor führte die Straße auf einen kleinen Hügel hinauf. Ich folgte ihr mit den Blicken und sah oben auf der Kuppe eine kleine Gruppe von Männern auftauchen, deren Silhouette sich im Abendlicht deutlich abhob. Sie blieben einige Augenblicke stehen, als würden sie sich voneinander verabschieden; dann ging einer den Hügel zum Haus hinunter, während die anderen einen Weg
einschlugen, der sie durch die Felder zu einer kleinen Ansammlung von Katen bringen würde.
Als der Mann näher kam, bemerkte ich, daß er stark hinkte. Das rechte Bein war bis zum Knie amputiert, und er trug einen hölzernen Stumpf als Prothese.
Dennoch bewegte er sich mit jugendlicher Behendigkeit. Als er auf die Laube zukam, in der ich saß, bemerkte ich, daß er kaum älter als Mitte Zwanzig sein konnte. Er war groß, fast so groß wie Jamie, aber sehr viel schmaler gebaut und geradezu mager.
Er blieb am Eingang stehen, lehnte sich auf das hölzerne Gitterwerk und betrachtete mich interessiert. Seine dicken braunen Haare fielen glatt über die hohe Stirn, und die tiefliegenden dunklen Augen strahlten Geduld und gute Laune aus.
Die Stimmen von Jamie und seiner Schwester waren so laut geworden, daß sie durch die geöffneten Fenster drangen.
»Du verdammtes Luder!« dröhnte Jamies Stimme.
»Wenn du auch nur ein bißchen Anstand im Leib hast …« Die Antwort der Schwester wurde von einem plötzlichen Windstoß davongetragen.
Der Neuankömmling deutete mit dem Kopf zum Haus.
»Ah, Jamie ist also wieder da.«
Ich nickte, statt zu antworten, unsicher, ob ich mich vorstellen sollte.
Der junge Mann lächelte und stellte sich seinerseits vor.
»Ich bin Ian Murray, Jennys Mann. Und Sie sind vermutlich… äh …«
»Das Sassenach-Mädchen, das Jamie geheiratet hat«, beendete ich seinen Satz. »Ich heiße Claire. Hat sich das denn bis hierher herumgesprochen?« Ich war völlig verwirrt. Jennys Ehemann ?
»Doch, ja. Wir haben es von John Orr gehört, der es von einem Kesselflicker in Ardraigh hat. Hier oben in den Highlands kann man nichts lange geheimhalten. Das sollten Sie - aber nein, wir sind ja verwandt, also, das solltest du wissen, selbst wenn du erst seit einem Monat verheiratet bist. Jenny fragt sich schon seit Wochen, wie du wohl bist.«
»Hure!« hörten wir Jamie im Haus brüllen. Jennys Mann machte sich nicht das geringste daraus, sondern betrachtete mich weiter mir freundlicher Neugier.
»Bist ein hübsches Mädel«, sagte er. »Magst du Jamie gern?«
»Ja… ja, durchaus«, antwortete ich, verblüfft von so
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