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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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der nassen Schnauze zu packen.
    Ich rammte ihm die Finger in die Mundwinkel, um sie so vor den messerscharfen Reißzähnen zu schützen. Speichel tropfte mir den Arm herunter. Ich lag flach auf dem Wolf. Die Ecke der Gefängnismauer war etwa einen halben Meter von mir entfernt. Irgendwie mußte ich dorthin gelangen, ohne der Bestie, die sich unter mir wand und krümmte, Gelegenheit zu geben, seine Wut auszulassen.
    Zentimeter für Zentimeter robbte ich mich vorwärts, während ich das Tier mit aller Macht nach unten preßte, um zu verhindern, daß es mir an die Kehle ging. Es dürfte nur ein paar Minuten gedauert haben, diese kurze Strecke zurückzulegen, aber es schien mir, als kämpfte ich schon seit einer Ewigkeit mit dem Tier.
    Endlich konnte ich um die Ecke schauen. Die Steinkante war direkt vor meinem Gesicht. Jetzt wurde es knifflig. Ich mußte den Wolf in eine Lage bringen, wo ich ihn mit beiden Händen unter der Schnauze packen konnte; mit einer Hand würde ich es nie schaffen.
    Ich rollte mich plötzlich herunter, so daß der Wolf zwischen mir und der Wand lag. Bevor er auf die Beine kam, rammte ich ihm mein Knie mit aller Kraft, die ich noch hatte, in die Seite. Er heulte auf und war einen Augenblick bewegungsunfähig.
    Jetzt hatte ich beide Hände unter seinem Kiefer. Die Finger der einen Hand steckten in seinem Maul. Es war mir, als würden mir die Finger brechen, aber ich ignorierte den Schmerz und stieß den Kopf wieder und wieder zurück, bis es mir endlich gelang, sein Genick an die Mauerkante zu schlagen.
    Ich hörte kein Knacken, aber ich fühlte das Zucken, das durch den ganzen Körper lief, als das Genick brach. Seine Beine - und die Blase - wurden sofort schlaff. Die fürchterliche Kraftanstrengung war zu Ende, und ich sackte zusammen wie der sterbende Wolf. Ich spürte, wie sein Herz zu flattern begann, das einzige Organ, das
noch gegen den Tod ankämpfte. Das Fell stank nach Ammoniak und nassem Pelz. Ich wollte weg, aber ich konnte nicht.
    Ich muß wohl einen Augenblick lang eingeschlafen sein, so merkwürdig das auch klingt, mit dem Kopf auf der Leiche. Als ich die Augen aufschlug, starrte ich auf den grünlichen Stein der Gefängnismauer. Nur die Vorstellung, was auf der anderen Seite der Mauer vor sich ging, brachte mich auf die Beine.
    Ich stolperte den Graben hinunter, stieß mir die Schienbeine an Steinen und Ästen, die unter dem Schnee verborgen waren. Unbewußt muß mir wohl klar gewesen sein, daß Wölfe normalerweise in Rudeln jagen, denn ich war nicht überrascht, als ich im Wald hinter und über mir Wolfsgeheul hörte. Wenn ich überhaupt etwas gefühlt habe, dann war es rasende Wut, weil sich alles gegen mich verschworen zu haben schien, um mich von meinem Ziel abzuhalten.
    Ich war jetzt auf freiem Feld. Keine Gefängniswand, die mir hätte Rückendeckung geben können, und weit und breit keine Waffe. Es war mehr Glück als Verstand gewesen, daß ich den ersten Wolf erledigt hatte; aber die Chance, noch ein zweites Tier mit bloßen Händen zu besiegen, stand eins zu tausend - und wie viele mochten es wohl sein? Das Rudel, das ich im Sommer im Mondlicht beobachtet hatte, zählte mindestens zehn Wölfe. Ich hatte noch gut in Erinnerung, wie das Wetzen ihrer Zähne und das Krachen brechender Knochen geklungen hatten. Die einzige Frage, die sich jetzt noch stellte, war, ob ich mir überhaupt noch die Mühe machen sollte zu kämpfen, oder ob ich mich einfach in den Schnee legen und aufgeben sollte. Diese Alternative schien unter den gegebenen Umständen durchaus attraktiv.
    Aber Jamie hatte sein Leben für mich gegeben, und weit mehr als das, um mich aus dem Gefängnis freizubekommen.
    Ich war es ihm schuldig, wenigstens einen Versuch zu unternehmen.
    Ich hangelte mich weiter den Graben hinunter. Das Licht schwand rasch. Bald würde alles im Dunkeln liegen. Ich bezweifelte, daß mir das helfen würde. Die Wölfe konnten in der Nacht sicherlich besser sehen als ich.
    Der erste Jäger erschien oben am Rand des Grabens, eine zerzauste Gestalt, die bewegungslos lauerte. Mit Entsetzen stellte ich fest, daß bereits zwei weitere unten im Graben waren und sich langsam, beinahe im Gleichschritt, anschlichen. Sie hatten im Zwielicht
fast die gleiche Farbe wie der Schnee, schmutziggrau, und waren dadurch beinahe unsichtbar, obwohl sie sich keine Mühe gaben, sich zu verbergen.
    Ich blieb stehen. Flucht war sinnlos. Ich bückte mich und zog einen Kiefernzweig aus dem Schnee. Die Rinde war naß

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