Feuer Und Stein
hatten.
Jamie antwortete nicht, sondern sackte mit hängendem Kopf nach vorn. Unter der Hutkrempe sah ich seine Augen funkeln. Er war also nicht bewußtlos. Scheinbar waren ihm die Männer nicht fremd; sie würden seine Stimme erkennen. Murtagh zwängte sein Pferd zwischen mich und die Soldaten.
»Mein Herr ist ziemlich krank, Sir, wie Sie sehen«, sagte er und verbeugte sich unterwürfig. »Vielleicht könnten Sie mir sagen, wo die Straße nach Ballagh verläuft. Ich bin nicht mehr sicher, ob wir auf dem richtigen Weg sind.«
Ich fragte mich, was um Himmels willen er im Sinn haben mochte, bis ich seinen Blick auffing. Blitzschnell sah er zu Jamie, in den Schnee unter ihm und dann zurück zu dem Soldaten, der nichts bemerkt hatte. Würde Jamie gleich aus dem Sattel fallen? Ich tat so, als müßte ich meine Kappe zurechtrücken, und schaute beiläufig über die Schulter zu Jamie. Ich erstarrte vor Schreck.
Jamie saß aufrecht und hatte den Kopf gesenkt, um sein Gesicht zu verbergen. Aber vom Steigbügel tropfte Blut und hinterließ rote Farbtupfer im Schnee. Murtagh, der sich dumm stellte, war es gelungen, die Soldaten dazu zu bewegen, ganz auf den Hügel hinaufzureiten. Von dort konnten sie ihm zeigen, daß die Straße nach Dingwall, die auf der anderen Seite des Hügels nach unten führte, der einzige Weg weit und breit war. Er führte durch Ballagh und dann direkt zur Küste, die noch drei Meilen entfernt war.
Ich glitt hastig aus dem Sattel und riß an den Sattelgurten meines Pferdes. Dann kämpfte ich mich durch die Schneewehen und stieß mit dem Fuß Schnee unter den Bauch von Jamies Pferd, um die Blutstropfen zu überdecken. Ein kurzer Blick bestätigte mir, daß die Soldaten immer noch damit beschäftigt waren, Murtagh den Weg zu erklären, obwohl einer von ihnen auf uns herunterschaute, als wollte er sichergehen, daß wir nicht das Weite suchten. Ich winkte ihm leutselig zu, und sobald er den Kopf gewandt hatte, bückte ich mich und riß einen der Unterröcke herunter, die ich trug. Ich fegte Jamies Umhang beiseite und stopfte ihm den Unterrock unter den Schenkel, ohne auf sein Stöhnen Rücksicht zu nehmen. Es gelang mir gerade noch, zu meinem Pferd zurückzueilen und mich am Gurt zu schaffen zu machen, bevor Murtagh und die Engländer herunterkamen.
»Der Gurt hat sich irgendwie gelockert«, erklärte ich so arglos wie möglich und blinzelte dem nächstbesten Rotrock charmant zu.
»Oh? Und warum helfen Sie der Dame nicht?« fragte er Jamie.
»Meinem Mann geht es nicht gut«, sagte ich. »Ich komme schon zurecht. Vielen Dank.«
Der Korporal begann Interesse zu zeigen. »Krank, was? Was ist los mit ihm?« Er ritt an Jamie heran und schaute ihm unter dem Schlapphut direkt ins bleiche Gesicht. »Sie sehen wirklich nicht gut aus, das kann man wohl sagen. Nehmen Sie den Hut ab, Mann. Was ist mit Ihrem Gesicht?«
Jamie feuerte durch den Mantel. Der Rotrock war nicht mehr als zwei Meter entfernt und rutschte seitlich aus dem Sattel; der Fleck auf seiner Brust wurde schnell größer.
Noch bevor der Korporal auf dem Boden landete, hielt Murtagh in jeder Hand eine Pistole. Eine Kugel ging ins Leere, da sein Pferd scheute. Die zweite fand ihr Ziel. Sie riß den Oberarm eines Soldaten auf. Das Tuch seiner Uniformjacke hing in Fetzen herunter, und der Ärmel färbte sich rot. Der Mann hielt sich jedoch im Sattel und zerrte mit der unverletzten Hand an seinem Säbel, während Murtagh unter seinem Mantel nach einer neuen Waffe griff. Einer der beiden anderen Soldaten riß sein Pferd herum und galoppierte in Richtung Gefängnis, vermutlich um Hilfe zu holen.
»Claire!« Der Schrei kam von oben. Ich schaute hinauf und sah Jamie, wie er auf den flüchtenden Reiter deutete. »Halte ihn auf!« Er warf mir eine Pistole zu, drehte sich dann um und zog sein Schwert, um dem Angriff des vierten Soldaten zu begegnen.
Mein Pferd hatte Kampferfahrung. Es legte die Ohren an und stampfte unruhig mit den Hufen, aber es war beim Krachen der Schüsse nicht losgerannt. Es war froh, den Kampf hinter sich zu lassen, und sobald ich im Sattel saß, setzte es dem flüchtenden Soldaten nach.
Der Schnee behinderte uns genauso wie ihn, aber ich hatte das bessere Pferd.
Bald betrug die Entfernung zwischen uns nicht mehr als zehn Meter. Auf einer längeren Strecke hätte ich ihn einholen können, aber die Gefängnismauern erhoben sich drohend in weniger als einer Meile Entfernung. In Kürze würden uns die Wachen auf den Mauern
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