Feuer Und Stein
reichte er ihn Laoghaire, ohne sie anzusehen.
»Bring den bitte zurück, Mädel«, sagte er. »Es ist spät geworden, und ich führe Mistress Beauchamp jetzt in ihre Kammer.« Er legte mir eine Hand unter den Ellbogen, dirigierte mich zum Eingang und ließ Laoghaire sprachlos zurück. Sie starrte uns nach, und ich war erleichtert, daß Blicke wirklich nicht töten können.
Jamie folgte mir zu meiner Kammer und trat, was mich ein wenig überraschte, hinter mir ein. Meine Überraschung legte sich, als er die Tür schloß und das Hemd auszog. Ich hatte den Verband vergessen, den ich schon seit zwei Tagen abnehmen wollte.
»Ich bin froh, wenn er fort ist«, sagte Jamie und zerrte an dem Gebilde aus Leinen und Kunstseide. »Er scheuert ekelhaft.«
»Dann wundert es mich, daß du ihn nicht selbst abgenommen hast«, sagte ich und zog den ersten Knoten auf.
»Ich hab’ mich nicht getraut. Du hast mich doch so ausgescholten, als du mir den ersten Verband angelegt hast«, sagte Jamie. Er grinste dreist auf mich herunter. »Dachte mir, ich bekomme den Hintern versohlt, wenn ich den Verband auch nur anfasse.«
»Du kriegst ihn jetzt versohlt, wenn du dich nicht setzt und stillhältst«, erwiderte ich mit gespielter Strenge. Ich legte beide Hände auf Jamies gesunde Schulter und drückte ihn auf den Hocker vor dem Kamin.
Dann streifte ich den Verband ab und fühlte vorsichtig die Schulter. Sie war noch ein wenig geschwollen, aber ich fand glücklicherweise nichts, was auf Muskelfaserrisse hindeutete.
»Warum hast du dir den Verband nicht schon gestern nachmittag von mir abnehmen lassen?« Jamies Verhalten bei der Koppel war mir ein Rätsel gewesen, und nun, da ich die Rötungen sah, wo die Leinenstreifen die Haut fast wundgescheuert hatten, schien es mir noch unbegreiflicher.
Jamie blickte mich von der Seite an und schlug dann ein wenig verlegen die Augen nieder. »Nun, das - es lag nur daran, daß ich mir vor Alec das Hemd nicht ausziehen mochte.«
»Bist du so schamhaft?« erkundigte ich mich ironisch. Jamie lächelte über meine Frage.
»Wenn ich schamhaft wäre, säße ich schwerlich halbnackt in deiner Kammer, oder? Nein, es liegt an den Narben auf meinem Rükken.« Jamie sah meine fragende Miene und fuhr fort: »Alec weiß, wer ich bin - ich meine, man hat ihm erzählt, daß ich ausgepeitscht wurde, aber er hat es nicht gesehen. Und es ist ein großer Unterschied, ob man so etwas nur weiß oder ob man es mit eigenen Augen gesehen hat.« Jamie befühlte behutsam seine Schulter. »Es - vielleicht verstehst du nicht, was ich meine. Wenn man gehört hat, daß jemand eine Züchtigung über sich hat ergehen lassen müssen, dann ist das nur eine von vielen Sachen, die man von ihm weiß, und es ändert nicht viel daran, wie man ihn sieht. Alec weiß, daß ich ausgepeitscht worden bin, genauso wie er weiß, daß ich rote Haare habe, und es wirkt sich nicht auf unser Verhältnis aus.« Jamie blickte auf, um zu sehen, ob ich ihn verstand.
»Aber wenn man es mit eigenen Augen sieht…« - er zögerte, offenbar um Worte verlegen -, »ist es ein bißchen … persönlich, das meine ich wohl. Ich glaube … ja, wenn er die Narben sähe, könnte er mich nicht mehr anschauen, ohne an meinen Rücken zu denken. Ich wiederum sähe, wie er daran denkt, und das würde mich daran erinnern, und …« Jamie brach achselzuckend ab.
»Nun, das ist eine jämmerliche Erklärung, nicht wahr? Ich selbst bin jedenfalls nicht zimperlich deswegen. Schließlich kann ich’s nicht sehen, und vielleicht ist es gar nicht so schlimm, wie ich meine.« Ich hatte oft miterlebt, wie Verwundete auf Krücken die Straße entlanghumpelten und Leute mit abgewandtem Blick an ihnen vorübergingen, und fand Jamies Erklärung nicht schlecht.
»Es stört dich nicht, wenn ich deinen Rücken sehe?«
»Nein.« Das klang verwundert, und Jamie hielt einen Moment inne, um darüber nachzudenken. »Ich vermute … wahrscheinlich, weil du mir zu verstehen gibst, daß du es bedauerst, ohne daß ich mich deswegen erbärmlich fühle.«
Er saß geduldig da und rührte sich nicht, während ich seinen Rücken inspizierte. Ich wußte nicht, für wie arg er es hielt, doch es war ziemlich schlimm. Trotz des Kerzenlichts und obwohl ich es schon einmal gesehen hatte, war ich entsetzt. Zuvor hatte ich nur die eine Schulter gesehen. Die Narben bedeckten seinen ganzen Rücken, von den Schultern bis zur Taille. Ich dachte voll Bedauern, daß dies früher einmal ein recht schöner
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