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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Rücken gewesen sein mußte. Die Haut war hell und von gesunder Farbe, die Knochen waren fest und elegant geformt, die Schultern gerade und breit. Das Rückgrat zog sich wie eine gerade, glatte Furche durch die gerundeten Muskelstränge, die sich links und rechts davon erhoben.
    Und Jamie hatte recht. Als ich den Schaden betrachtete, mußte ich unweigerlich an den Vorgang denken, der ihn verursacht hatte. Ich bemühte mich, mir nicht vorzustellen, wie sich Stricke in die Gelenke einschnitten, wie sich der kupferrote Schopf gequält gegen den Pfahl preßte, aber die Narben beschworen nur zu schnell solche Bilder herauf. Hatte er geschrien? Ich verbannte derartige Gedanken.
    Unwillkürlich streckte ich die Hand aus, als könnte ich Jamie durch meine Berührung heilen und die Spuren der Mißhandlung auslöschen. Er seufzte, rührte sich aber nicht, während ich die tiefen Narben nachzog, wie um ihm das Ausmaß des Schadens zu zeigen, den er selbst nicht überblicken konnte. Am Ende ließ ich die Finger schweigend auf seinen Schultern ruhen.
    Jamie legte seine Rechte auf meine und drückte sie.
    »Anderen ist Schlimmeres zugestoßen, Mädel«, sagte er leise. Dann gab er meine Hand frei, und der Bann war gebrochen.
    »Fühlt sich so an, als heilte es gut«, fuhr er fort und versuchte, seine verletzte Schulter zu betrachten. »Es tut nicht mehr besonders weh.«
    Ich räusperte mich und sagte: »Es heilt wirklich gut; es hat sich Schorf gebildet, und es näßt nicht. Halt die Wunde sauber und schone den Arm noch zwei, drei Tage.« Ich klopfte Jamie auf die gesunde Schulter und bedeutete ihm damit, daß wir fertig waren. Er zog sein Hemd ohne Hilfe wieder an.

    Es gab einen etwas peinlichen Moment, als er vor der Tür stehenblieb und sich überlegte, was er mir zum Abschied sagen sollte. Schließlich lud er mich ein, am nächsten Tag in den Stall zu kommen und das neugeborene Fohlen anzusehen. Ich nahm die Einladung an, und wir wünschten uns beide gleichzeitig eine gute Nacht. Wir lachten und nickten einander albern zu, bevor ich die Tür schloß. Ich ging sofort zu Bett und schlummerte weinselig ein.
     
    Nachdem ich den Vormittag über neue Patienten behandelt, den Vorratsraum nach nützlichen Kräutern durchstöbert und sämtliche Einzelheiten mit einigem Zeremoniell in Davie Beatons schwarzes Buch eingetragen hatte, verließ ich mein beengtes Sprechzimmer, um mir etwas Bewegung an der frischen Luft zu verschaffen.
    Im Moment war niemand in der Nähe, und ich nutzte die Gelegenheit, um die oberen Stockwerke der Burg zu erkunden, spitzte in leere Kammern, schaute Wendeltreppen hinauf und hinunter und legte im Geist einen Grundriß an. Das Ganze war, um es milde zu formulieren, recht unregelmäßig. Da und dort waren im Lauf der Jahre Ergänzungen hinzugefügt worden, bis sich kaum noch sagen ließ, ob es überhaupt je einen Bauplan gegeben hatte. Im Saal hatte man zum Beispiel in die Wand bei der Treppe einen Alkoven eingebaut, der offenbar keinem anderen Zweck diente, als eine Lücke zu füllen, die für einen richtigen Raum zu klein war.
    Der Alkoven wurde größtenteils durch einen Vorhang aus gestreiftem Leinen abgeschirmt; ich wäre einfach daran vorbeigegangen, hätte nicht ein plötzliches Aufleuchten von etwas Weißem meine Aufmerksamkeit erregt. Ich blieb stehen und spähte hinein. Es war Jamies weißgekleideter Arm, der sich um den Rücken eines Mädchens legte, das auf seinem Schoß saß. Die Sonne fiel auf strohblonde Haare, die das Licht zurückwarfen wie ein Forellenbach an einem strahlenden Morgen.
    Ich verharrte unschlüssig. Ich wollte den beiden nicht nachspionieren, fürchtete jedoch, das Geräusch meiner Schritte auf den Steinplatten des Flures könnte ihre Aufmerksamkeit erregen. Während ich noch zögerte, löste sich Jamie aus der Umarmung und schaute auf. Einen Moment sah er erschrocken drein, aber dann hatte er mich erkannt. Mit hochgezogenen Augenbrauen und ironischem Achselzucken drückte er das Mädchen fester auf seine Knie
und beugte sich herab, um fortzusetzen, was er begonnen hatte. Auch ich zuckte die Achseln und entfernte mich auf Zehenspitzen. Was ging es mich an! Zweifellos würden Colum und der Vater des Mädchens diesen »Umgang« als höchst ungehörig betrachten. Die nächste Tracht Prügel könnte durchaus selbstverschuldet sein, wenn er bei der Auswahl des Treffpunkts nicht vorsichtiger wäre.
    Als ich ihn beim Abendessen in Alecs Gesellschaft sah, setzte ich mich den beiden

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