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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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hütete des Nachts seine Tiere, während seine Frau ihren ersten Sohn gebar. Ein Windstoß wehte an ihm vorbei, und im Atem des Windes hörte er das Seufzen seiner Frau. Sie seufzte, wie sie’s getan hatte, ehe sie das Kind gebar, und als er sie hörte, drehte Ewan MacDonald sich um und warf im Namen der Heiligen Dreifaltigkeit sein Messer in den Wind. Und seine Frau wurde gerettet und fiel neben ihm auf die Erde.«
    Am Ende der Geschichte gab es ein kollektives »Ah«, und ihr folgten weitere über die Schlauheit und Findigkeit der Kleinen Leute und das, was sie mit der Menschenwelt zu schaffen hatten. Einige erzählte er auf gälisch, andere auf englisch, offenbar je nachdem, welche Sprache am besten zum Rhythmus der Worte paßte, denn alle wiesen über den Inhalt hinaus formale Schönheiten auf. Jamie hielt sein Versprechen und übersetzte mir die gälischen Geschichten.
    Eine fiel mir besonders auf. Sie handelte von einem Mann, der sich spätabends auf einem Feenhügel aufhielt und die Stimme einer Frau vernahm, die traurig und klagend aus den Felsen drang. Er lauschte aufmerksamer und hörte die folgenden Worte:
    »Ich bin des Herrn von Balnain Weib,
Und die Kleinen Leute stahlen meinen Leib.«
Und so eilte der Mann nach Balnain und stellte fest, daß der Herr des Hauses fort war; die Frau und der kleine Sohn waren spurlos verschwunden. Der Mann suchte eilends einen Priester auf und ging mit ihm zum Feenhügel. Der Priester segnete die Felsen und besprengte sie mit Weihwasser. Plötzlich wurde es noch dunkler, und es tat einen lauten Schlag - wie Donnergrollen. Dann kam der Mond hinter einer Wolke hervor und beschien die Frau des Herrn von Balnain, die erschöpft im Gras lag, ihr Kind in den Armen. Sie war so müde, als hätte sie eine lange Reise hinter sich, wußte aber weder, wo sie gewesen, noch, wie sie dorthin gelangt war.
    Andere im Raum hatten ebenfalls Geschichten zu erzählen, und Gwyllyn ruhte sich aus und trank Wein, während die Leute vor dem Kamin ihr Garn spannen und den ganzen Saal in ihren Bann zogen.
    Ich nahm meine Umgebung kaum wahr. Auch ich war in Bann gezogen, freilich von meinen eigenen Gedanken, die unter dem Einfluß von Wein, Musik und Märchen wild durcheinanderpurzelten.
    »Es ist wohl zweihundert Jahre her …«
    In den Hochlandgeschichten ist es immer zweihundert Jahre her , erklang Reverend Wakefields Stimme in meinem Kopf. Dasselbe wie »Es war einmal«.
    Frauen, die in den Felsen von Feenhügeln gefangen waren, die eine weite Reise hinter sich hatten und erschöpft waren, die weder wußten, wo sie gewesen, noch, wie sie dorthin gelangt waren…
    Die Härchen auf meinen Unterarmen richteten sich auf, und ich strich unbehaglich darüber. Zweihundert Jahre. 1945 und 1743 - beinahe. Und Frauen, die durch Felsen reisten. Waren es eigentlich immer Frauen? fragte ich mich.
    Dann ging mir etwas auf. Die Frauen kamen zurück. Unterstützt von Weihwasser oder einem Messer, kamen sie zurück . Also war es vielleicht möglich. Eine hauchdünne Chance. Wie auch immer, ich mußte zum Steinkreis auf dem Craigh na Dun. Vor Aufregung wurde mir übel, und ich griff zum Weinpokal, um mich zu beruhigen.
    »Vorsicht!« Meine Finger tasteten am Rand des beinahe vollen Pokals entlang, den ich achtlos neben mir auf der Bank abgestellt hatte. Jamies langer Arm schnellte vor und rettete ihn mit knapper Not vor der Zerstörung. Er hob den Pokal und bewegte ihn behutsam unter seiner Nase hin und her. Er gab ihn mir mit hochgezogenen Augenbrauen zurück.

    »Rheinwein«, erklärte ich.
    »Ich weiß«, sagte Jamie und schaute mich immer noch fragend an. »Von Colum?«
    »Ja. Möchtest du kosten? Er ist sehr gut.« Ich hielt Jamie ein bißchen unsicher den Pokal entgegen. Nach kurzem Zögern nahm er ihn und probierte.
    »Der ist wirklich gut«, bestätigte Jamie und gab mir den Pokal zurück. »Und äußerst stark. Colum trinkt ihn am Abend, weil ihn die Beine schmerzen. Wieviel hattest du davon?«
    »Zwei, drei Gläser«, erwiderte ich würdevoll. »Willst du damit andeuten, daß ich bezecht bin?«
    »Nein«, sagte Jamie mit hochgezogenen Augenbrauen, »das bist du nicht, und das beeindruckt mich. Die meisten Leute, die mit Colum trinken, liegen nach dem zweiten Glas unter dem Tisch.« Jamie streckte die Hand aus und nahm mir den Pokal wieder ab.
    »Trotzdem«, fügte er mit fester Stimme hinzu, »solltest du jetzt aufhören, sonst kommst du die Treppe nicht mehr hinauf.« Jamie leerte den Pokal; dann

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