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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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entsinne mich ganz genau«, fuhr Laoghaire unbeirrt fort. »Du warst, äh … ich meine… du kannst dich nicht an mich erinnern?« Das Mädchen spielte nervös an den Falten ihres Rockes herum.
    Jamies Aufmerksamkeit schien durch eine Gruppe auf der anderen Seite des Raumes abgelenkt, die auf gälisch über irgend etwas debattierte.
    »Wie bitte?« fragte er. »Nein, ich glaube nicht. Und es wäre auch unwahrscheinlich«, fügte er lächelnd hinzu, Laoghaire plötzlich wieder seine Aufmerksamkeit widmend. »Ein junger Bursche von sechzehn Jahren ist zu sehr von sich eingenommen, um auf etwas zu achten, was er für einen Haufen rotznasiger Kinder hält.«
    Ich hatte den Eindruck, daß dieser Tadel ihm selbst gelten sollte, und nicht seiner Zuhörerin, doch er hatte nicht die Wirkung, die er sich erhofft haben mochte. Da ich annahm, Laoghaire brauche eine kurze Pause, um die Fassung zurückzugewinnen, schaltete ich mich hastig ein: »Nein, ich kann kein Walisisch. Verstehst du, was er singt?«
    »Aye.« Und nun gab Jamie den Liedtext so flüssig auf englisch wieder, als läse er ihn von einem Blatt Papier ab. Es handelte sich um eine alte Ballade von einem jungen Mann, der, wie nicht anders zu erwarten, ein junges Mädchen liebte, aber sich ihrer nicht würdig fühlte, weil er arm war, und von dannen zog, um auf dem Ozean
sein Glück zu machen. Er erlitt Schiffbruch, traf auf Seeschlangen, die ihn bedrohten, und Meerjungfrauen, die ihn betörten, bestand Abenteuer, entdeckte einen Schatz und kehrte schließlich nach Hause zurück. Da hatte seine Angebetete aber schon seinen besten Freund geheiratet, der, wenn auch ärmer, so doch vernünftiger gewesen war als er.
    »Was würdest du tun?« erkundigte ich mich bei Jamie, um ihn ein bißchen zu foppen. »Würdest du das Mädchen nicht heiraten, wenn du arm wärst, oder würdest du sie nehmen und auf das Geld pfeifen?« Die Frage schien auch Laoghaire zu interessieren; sie legte ihren Kopf schief, um die Antwort zu hören, und tat dabei so, als lauschte sie hingerissen Gwyllyns Flötenspiel.
    »Ich?« Jamie wirkte belustigt. »Nun, da ich kein Geld habe und herzlich wenig Aussichten, je an welches zu kommen, würde ich mich wohl glücklich schätzen, wenn ich ein Mädel fände, das mich auch so zum Mann nähme.« Er schüttelte grinsend den Kopf. »Nach Seeschlangen steht mir der Sinn nun wirklich nicht.«
    Er wollte noch mehr sagen, wurde aber von Laoghaire zum Schweigen gebracht, die schüchtern ihre Hand auf seinen Arm legte, tief errötete und die Hand wieder wegzog, als hätte sie weißglühendes Metall berührt.
    »Psst«, sagte sie. »Ich meine… er erzählt jetzt Geschichten. Möchtest du nicht zuhören?«
    »Doch, doch.« Jamie beugte sich erwartungsvoll vor, merkte dann, daß er mir die Sicht versperrte, und bestand darauf, daß ich mich an seine andere Seite setzen sollte, zwischen ihn und Laoghaire. Das Mädchen war mit diesem Arrangement ganz und gar nicht einverstanden, und ich versuchte ihn davon zu überzeugen, daß ich mit meinem Platz vollauf zufrieden war, doch Jamie blieb unnachgiebig.
    »Nein, auf der anderen Seite siehst und hörst du besser. Und wenn Gwyllyn gälisch spricht, kann ich dir ins Ohr flüstern, was er sagt.«
    Jede Darbietung des Barden war mit herzlichem Beifall aufgenommen worden, obwohl die Zuhörer leise miteinander geplaudert hatten, während er spielte. Aber nun senkte sich gespanntes Schweigen über den Raum. Gwyllyns Sprechstimme war so klar wie sein Gesang; jedes Wort drang mühelos bis zum anderen Ende des langen Saales.

    »Es ist wohl zweihundert Jahre her …« Er sprach englisch, und ich hatte plötzlich ein Déjà-vu-Erlebnis. Genauso hatte unser Fremdenführer vom Loch Ness geredet, als er Sagen vom Great Glen erzählte.
    Gwyllyns Geschichte handelte jedoch nicht von Gespenstern, sondern von Feen, den Kleinen Leuten.
    »Es ist wohl zweihundert Jahre her, da lebte ein Clan der Kleinen Leute in der Nähe von Dundreggan«, begann er. »Und der Berg dort heißt nach dem Drachen, der in ihm hauste und den Fionn tötete und begrub, wo er fiel. So bekam der Berg seinen Namen. Und nach dem Hinscheiden von Fionn und seinen Mannen wollten die Kleinen Leute, die nun in dem Berg wohnten, daß Menschenmütter die Ammen ihrer Feenkinder wurden, denn die Menschen haben etwas, das Feen nicht haben, und die Kleinen Leute meinten, ihre Kinder könnten es mit der Muttermilch aufsaugen.
    Nun war Ewan MacDonald von Dundreggan draußen und

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