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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Männern gegenüber. Jamie begrüßte mich freundlich, wenn auch mich einem wachsamen Flackern in den Augen. Der alte Alec sprach sein gewohntes »Mmmpf«. Frauen, das hatte er mir an der Koppel erklärt, wissen Pferde nicht zu schätzen, und darum ist es schwierig, mit ihnen zu reden.
    »Wie geht es voran mit dem Zureiten?« fragte ich, um das emsige Kauen auf der anderen Seite des Tisches zu unterbrechen.
    »Leidlich«, antwortete Jamie vorsichtig.
    Ich spähte über eine Platte mit gekochten Rüben zu ihm hinüber. »Deine Lippen sehen geschwollen aus, Jamie. Hat dich ein Pferd getreten?«
    Er kniff die Augen zusammen und antwortete: »Aye. Hat den Kopf herumgeworfen, als ich gerade nicht hingeschaut habe.« Jamie sprach durchaus gleichmütig, doch ich spürte, wie sich unter dem Tisch ein großer Fuß über meinen senkte. Im Moment lag er nur leicht auf; die Drohung freilich war unverkennbar.
    »Zu dumm. Diese jungen Stuten können gefährlich sein«, erwiderte ich unschuldig.
    Der Fuß stieß heftig zu, als Alec sagte: »Junge Stuten? Im Augenblick arbeitest du doch mit keinem Stutfohlen, oder, Junge?« Ich benutzte meinen freien Fuß als Hebel, und da dies fehlschlug, trat ich gegen Jamies Knöchel. Er zuckte zusammen.
    »Was ist?« wollte Alec wissen.
    »Hab’ mir auf die Zunge gebissen«, nuschelte Jamie und funkelte mich über die Hand hinweg an, mit der er sich geistesgegenwärtig an den Mund gefaßt hatte.
    »Du Tölpel. Aber was will man erwarten von einem Burschen, der sich nicht von einem Pferd fernhalten kann, wenn …« Alec fuhr mehrere Minuten in diesem Sinn fort, bezichtigte seinen Gehilfen der Ungeschicktheit, Faulheit, Dummheit und Unfähigkeit. Jamie, möglicherweise der am wenigsten ungeschickte Mensch, dem ich in meinem ganzen Leben begegnet war, hielt den Kopf gesenkt
und aß während dieser Schmährede beharrlich weiter, wenn auch mit hochroten Wangen. Ich wiederum schlug für den Rest der Mahlzeit spröde die Augen nieder.
    Jamie nahm sich keine zweite Portion Eintopf, sondern verließ abrupt den Tisch und machte damit Alecs Tirade ein Ende. Der alte Oberstallmeister und ich kauten ein paar Minuten schweigend vor uns hin. Schließlich wischte Alec seinen Teller mit dem letzten Bissen Brot aus, schob ihn in den Mund, lehnte sich zurück und musterte mich sarkastisch aus seinen blauen Augen.
    »Sie sollten den Jungen nicht piesacken«, sagte er beiläufig. »Wenn ihr Vater oder Colum davon erfährt, könnte Jamie mehr abkriegen als eine blutige Nase.«
    »Eine Frau zum Beispiel?« fragte ich und sah Alec scharf an. Er nickte bedächtig.
    »Vielleicht. Und das ist nicht die Frau, die er braucht.«
    »Nein?« Nachdem ich Alecs Bemerkung an der Koppel mitgehört hatte, war ich ein bißchen verwundert über diese Worte.
    »Nein. Er braucht eine richtige Frau, kein kleines Mädchen. Und Laoghaire wird noch ein kleines Mädchen sein, wenn sie fünfzig ist.« Alecs grimmiger Mund verzog sich zu etwas wie einem Lächeln. »Sie denken wohl, ich hätte mein ganzes Leben im Stall verbracht, aber ich war mit einer Frau verheiratet, die eine richtige Frau war, und ich kenne den Unterschied sehr genau.« Sein Auge blitzte, als er sich erhob. »Sie doch auch.«
    Ich streckte die Hand aus, um den alten Oberstallmeister zurückzuhalten. »Woher wissen Sie …«, begann ich. Alec schnaubte verächtlich.
    »Ich mag nur ein Auge haben, aber das heißt nicht, daß ich blind bin.« Und damit ging er, immer noch schnaubend.
    Ich stieg zu meiner Kammer hinauf und überlegte mir, was der Oberstallmeister mit seiner letzten Bemerkung gemeint hatte.

9
    Die Versammlung
    Mein Leben schien Gestalt anzunehmen, wenn sich auch noch keine Routine einstellte. Bei Tagesanbruch stand ich mit den übrigen Burgbewohnern auf, frühstückte im großen Saal und ging dann, wenn Mrs. FitzGibbons keine Patienten für mich hatte, zur Arbeit in den weitläufigen Burggarten. Mehrere Frauen waren dort regelmäßig beschäftigt, unterstützt von einer Schar kleiner Jungen, die Abfälle, Geräte und Mist schleppten. Gewöhnlich blieb ich den ganzen Tag im Garten. Manchmal half ich in der Küche beim Kochen oder Einmachen von frisch geerntetem Obst und Gemüse, es sei denn, ein medizinischer Notfall rief mich ins Schreckenskabinett des verstorbenen Beaton.
    Dann und wann folgte ich Alecs Einladung und besuchte den Stall oder die Koppel, wo ich mich am Anblick der Pferde freute, die ihr zottiges Winterfell verloren und stark und schön wurden

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