Feuer Und Stein
ging, um die Fliegenpilze einzusammeln.
»Die sind giftig«, sagte eine Stimme hinter mir. Ich richtete mich auf und stieß mir den Kopf an einem Kiefernast.
Als ich wieder klar sehen konnte, stellte ich fest, daß das Gelächter, das nun erschallte, von einer hochgewachsenen jungen Frau kam, die ein paar Jahre älter als ich war. Sie hatte blonde Haare, eine helle Haut und wunderschöne grüne Augen.
»Entschuldigen Sie, daß ich über Sie lache«, sagte sie, als sie zu mir trat. »Ich konnte es mir nicht verkneifen.«
»Wahrscheinlich sah es recht komisch aus«, antwortete ich schroff und befühlte die Beule an meinem Kopf. »Und besten Dank für die Warnung, aber ich weiß, daß die Pilze giftig sind.«
»Ach ja? Wen wollen Sie denn damit beseitigen? Ihren Gatten vielleicht? Sagen Sie mir, wie es gegangen ist, und ich werde es gleich bei meinem versuchen.« Ihr Lächeln war ansteckend, und ich stellte fest, daß ich es erwiderte.
Ich erklärte, roh seien die Pilze in der Tat giftig, doch wenn man
sie trocknete, könne man aus ihnen ein Pulver gewinnen, das bei lokaler Anwendung Blutungen stillen würde. Wenigstens behauptete das Mrs. FitzGibbons.
»Man denke nur!« sagte die junge Frau, immer noch lächelnd. »Wissen Sie auch, daß diese…« - sie bückte sich und richtete sich mit einer Handvoll kleiner blauer Blumen mit herzförmigen Blättern auf - »Blutungen bewirken ?«
»Nein«, antwortete ich verwirrt. »Warum sollte jemand Blutungen bewirken wollen?«
Die junge Frau betrachtete mich, als stelle ich ihre Geduld gewaltig auf die Probe. »Zum Beispiel, um ein unerwünschtes Kind loszuwerden. Es führt den Monatsfluß herbei, aber nur, wenn man es frühzeitig nimmt. Wenn man zu spät dran ist, kann es außer dem Kind auch einen selbst töten.«
»Sie scheinen viel von solchen Dingen zu verstehen«, bemerkte ich.
»Ein bißchen. Die Mädchen aus dem Dorf kommen hin und wieder wegen solcher Dinge zu mir; gelegentlich auch verheiratete Frauen. Die Leute behaupten, ich sei eine Hexe«, sagte die junge Frau, riß mit gespieltem Erstaunen die grünen Augen auf und grinste. »Aber mein Mann ist Prokurator in diesem Bezirk, und so behaupten sie’s nicht zu laut.«
»Wegen des jungen Mannes, den Sie mitgebracht haben«, fuhr sie anerkennend fort, »sind etliche Liebestränke bestellt worden. Ist das Ihrer?«
»Meiner? Wer? Äh - Jamie?« Ich war völlig durcheinander.
Die junge Frau blickte amüsiert drein. Sie setzte sich auf einen umgestürzten Baumstamm und wickelte sich eine blonde Locke um den Zeigefinger.
»Ja. Viele hätten nur zu gern einen Burschen mit solchen Augen und Haaren, gleichgültig, welche Belohnung auf seinen Kopf ausgesetzt ist und wie wenig Geld er hat. Die Väter dagegen - nun, die denken vielleicht anders.«
In die Ferne blickend, fuhr die junge Frau fort: »Ich selbst bin da eher praktisch veranlagt. Ich habe einen Mann geheiratet, der ein schönes Haus, Geld und einen guten Posten hat. Was die Haare angeht, so hat er keine, und auf die Augen habe ich nie geachtet, aber er plagt mich nicht oft.« Sie hielt mir den Korb, den sie bei sich trug, entgegen. Vier knollige Gebilde lagen darin.
»Malvenwurzeln«, erklärte die junge Frau. »Mein Mann leidet an Magenkatarrh. Furzt wie ein Ochse.«
Ich hielt es für klug, dieses Thema nicht weiterzuverfolgen. Ich streckte die Hand aus, um der jungen Frau vom Baumstamm aufzuhelfen, und sagte: »Ich habe mich noch nicht vorgestellt. Ich heiße Claire. Claire Beauchamp.«
Die Hand, die meine faßte, war schmal, mit langen, weißen Fingern, deren Spitzen fleckig waren, vermutlich vom Saft der Pflanzen und Beeren, die neben den Malvenwurzeln im Korb lagen.
»Ich weiß, wer Sie sind«, sagte die junge Frau. »Seit Ihrer Ankunft redet man im ganzen Dorf über Sie. Mein Name ist Geillis, Geillis Duncan.« Sie spähte in meinen Korb. »Wenn Sie Fliegenpilze suchen, kann ich Ihnen zeigen, wo die besten wachsen.«
Ich nahm das Angebot an, und wir wanderten einige Zeit durch die kleinen Senken in der Nähe des Obstgartens, stocherten unter verrottetem Holz und gingen um schimmernde Tümpel herum. Dort gab es Pilze in Hülle und Fülle. Geillis verstand eine Menge von Pflanzen und ihrer Heilkraft, obwohl sie ein paar Anwendungen vorschlug, die ich, gelinde gesagt, fragwürdig fand. So hielt ich es für sehr unwahrscheinlich, daß man vermittels Tausendgüldenkraut auf der Nase einer Rivalin Warzen wachsen lassen konnte, und ich bezweifelte
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